D. Lenz
Wie viele Globalisierungskritiker seit Jahren predigen, liegt heute die wahre Macht längst nicht mehr bei den Staaten sondern bei internationalen Großkonzernen. Mit ihren Milliardengewinnen kaufen sie jedes Jahr weitere Anteile anderer Unternehmen oder schlucken diese gleich komplett. Durch die Zukäufe bauen sie sich mit der Zeit ein gigantisches Firmenimperium auf.
Zürich (Schweiz). Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich haben erstmals genau analysiert, welche Konzerne die Weltwirtschaft dominieren und wie weit ihr Einfluss reicht. Am Ende ihrer Studie stehen die Forscher vor einem präzisen und mehr als erschreckenden Ergebnis: Demnach kontrollieren lediglich 147 Konzerne den Großteil der gesamten Weltwirtschaft. Gemessen an ihrer Größe besitzen die Konzerne einen überproportionalen Einfluss.
Ein zweiter Blick auf die 147 Konzerne zeigt, dass gut drei Viertel der Unternehmen eigentlich im Finanzsektor tätig sind. Kein Wunder, dass der einflussreichste Konzern der Welt auch eine Bank ist - die britische Barclays Bank. Auch die Deutsche Bank befindet sich auf der Liste der 147 Unternehmen, welche fast die gesamte Weltwirtschaft kontrollieren. Sie nimmt immerhin Platz zwölf auf der Liste ein.
Das nahezu grenzenlose Kapital der Banken macht es ihnen besonders einfach andere Unternehmen aufzukaufen oder sich zumindest an ihnen zu beteiligen. Die Analysten stießen bei ihrer Arbeit auf zahllose Holding-Gesellschaften, Querverbindungen und Unmengen an Aktien die sich im Streubesitz befinden. Erst der Zugriff auf Orbis Datenbank brachte langsam Licht ins Dunkle und so konnten auch kleine Unternehmen den 147 mächtigsten Konzernen der Welt zugeordnet werden.
In der Orbis Datenbank sind etwa 37 Millionen Unternehmen verzeichnet. Unter diesen befinden sich rund 43.000 multinationale Konzerne, die durch gegenseitigen Aktienbesitzt mit einander vernetzt sind. Bei der weiteren Analyse der Forscher konnte ein Kern von 1.318 Firmen ausfindig gemacht werden, die dank Aktien einen Großteil der Realwirtschaft kontrollieren.
Doch die Forscher bleiben hartnäckig und zogen die Schlinge noch enger um zu sehen, welche Konzerne sich im absoluten Machtzentrum befinden. Innerhalb der 1.318 Unternehmen stießen die Forscher erneut auf ein Netzwerk, welches sich aus 147 Konzernen zusammensetzt. „Wir hatten nicht erwartet, dass die Macht im Zentrum derart konzentriert sein würde“, meint einer der Studienautoren, Dr. James Glattfelder. "Wir haben die Daten mit verschiedenen Modellen durchgerechnet und kamen immer zu sehr ähnlichen Ergebnisse."
Die starke Machtballung steht nicht nur im Widerspruch zu einem demokratischen Staatsverständnis, sie gefährdet durch ihre dichte Vernetzung auch die Stabilität des Systems "Das Gesamtsystem wird so instabiler, weil sich Probleme leicht ausbreiten können", so Glattfelder. Ein Beispiel dafür sind die Auswirkungen, welche der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers (sie steht auf Platz 34) auf die Finanzwirtschaft hatte.
Die starke Zusammengehörigkeit der Konzerne behindert aber auch den Wettbewerb. Die 147 Konzerne sind durch gemeinsame Interessen verbunden. Dies macht es anders denkenden Unternehmen besonders schwer am Markt.
"Die Realität ist komplex. Wir müssen uns von allen Dogmen befreien, ungeachtet ob es sich um Verschwörungstheorien oder um die freien Märkte handelt. Unsere Analyse basiert auf Tatsachen", gab Glattfelder im Zusammenhang mit der vorliegenden Studie, zu verstehen.