Robert Klatt
Der neue 5G-Mobilfunkstandard ist deutlich effizienter als das 3G- und 4G-Netz. Indirekte Effekte könnten das Klimaschutzpotenzial der 5G-Technologie sogar noch vergrößern.
St. Gallen (Schweiz). Im neuen 5G-Netz werden deutlich höhere Bandbreiten und deutlich geringe Latenzen als im aktuellen 3G- und 5G-Netz erreicht. Möglich ist dies, weil der neue Mobilfunkstandard höhere Frequenzen nutzt und die einzelnen Frequenzbereiche effektiver verwendet. Leider sinkt dadurch aus die Reichweite, was dazu führt, dass deutlich mehr Antennen für ein flächendeckendes Mobilfunknetz nötig sind.
Kritiker des neuen Mobilfunkstandards argumentieren deshalb oft damit, dass neben den vermeintlichen Gesundheitsrisiken der Technologie die hohe Anzahl an Antennen im Aufbau und Betrieb hohe Treibhausgas-Emissionen verursacht. Befürworter vertreten hingegen die Ansicht, dass die effizientere Technik die Klimabilanz des Mobilfunknetzes sogar verbessern kann.
Laut einer Pressemitteilung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) haben Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) deshalb die Klimabilanz der 5G-Technologie exemplarisch am Mobilfunknetz der Schweiz untersucht. Laut Studienleiter Jan Bieser „war das Ziel dieser Studie nicht, Argumente für oder gegen den Aufbau von 5G-Mobilfunknetzen in der Schweiz zu liefern. Vielmehr soll ein spezifischer Aspekt von 5G beleuchtet werden: die zu erwartenden Auswirkungen auf die Treibhausgas-Emissionen. Andere Aspekte, wie Sicherheit oder Gesundheit, werden durch diese Studie ausdrücklich nicht betrachtet.“
In der Studie (PDF) ermitteln die Wissenschaftler, wie hoch die CO2-Emissionen für den Aufbau und den Betrieb des 5G-Netzes bis ins Jahr 2030 sind. Berücksichtigt werden dabei Energie- und Materialaufwendungen der Infrastruktur und den Betrieb sowie indirekte Auswirkungen, die durch neue Anwendungsmöglichkeiten des Standards entstehen.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Aufbau und Betrieb des 5G-Netzes bis 2030 pro Jahr Mehremissionen von 0,018 Megatonnen CO2-Äquivalenten verursacht. 57 Prozent davon entfallen auf die Produktion der Infrastruktur, 43 Prozent auf den Strom für den Betrieb. Außerdem erzeugen die 5G-Endgeräte 0,03 bis 0,16 Megatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr.
Im Vergleich zum aktuellen 3G- und 4G-Mobilfunknetz besitzt der neue Standard damit eine hohe Effizienz. Derzeit werden pro Gigabyte etwa 30 Gramm CO2-Äquivalente freigesetzt. Laut Bieser „erwarten die Wissenschaftler für das 5G-Mobilfunknetz im Jahr 2030 Emissionen von etwa 4,5 Gramm CO2 pro Gigabyte und somit 85 Prozent weniger als bei den heutigen Mobilfunknetzen.“
Sollte die Nachfrage nach Geräten und Dienstleistungen im 5G-Netz deutlich ansteigen, könnte dies laut der Studie dafür sorgen, dass die positiven Effekte der hohen Effizienz verschwinden. Ausgeglichen werden könnte dies durch indirekte Auswirkungen der 5G-Technologie, wie intelligente Stromnetze und vermehrtes ortsunabhängiges Arbeiten. Es könnten so pro Jahr bis 2030 Treibhausgas-Emissionen von 0,1 bis 2,1 Megatonnen CO2 eingespart werden.
Hinzu kommen weitere Technologien auf Basis des 5G-Mobilfunknetzes wie autonome Autos und intelligente Gebäude, die ebenfalls CO2 einsparen werden. Laut Co-Autor Roland Hischier „werden diese Anwendungen ihr Potenzial aber nicht so schnell ausschöpfen können.“ Das volle Klimaschutzpotenzial der 5G-Technologie wird daher über das Jahr 2030 noch weiter steigen.
Insgesamt kann das 5G-Netz bei entsprechender Nutzung laut den Studienergebnissen die CO2-Emissionen der Mobilfunkbranche verringern. Laut Bieser „ist das gesamte Einsparpotenzial im Rahmen der in dieser Studie untersuchten Anwendungen deutlich höher als die durch die 5G-Netze verursachten Treibhausgas-Emissionen.“
Um das volle Klimaschutzpotenzial wirklich nutzen zu können, sind neben der Technologie aber noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen, darunter flexible Arbeitsmodelle und neue Mobilitätsdienstleistungen. Wie Bieser erklärt „ist es, um 5G in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen notwendig Klimaschutzpotenziale durch 5G-untersützte Anwendungen systematisch zu erschließen und Rebound-Effekte zu vermeiden.“