Robert Klatt
Linear Elamite, eine Keilschrift der Sumerer aus dem heutigen Iran, wurde erstmals entziffert. Womöglich nutzten die Forscher dazu aber gefälschte Artefakte.
Paris (Frankreich). Der Lehrer und Amateurgelehrten Georg Friedrich Grotefend hat bereits Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Keilschriften entziffert. Etwa zwanzig Jahre hat Jean-François Champollion durch die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen und den Vergleich mehrsprachiger Inschriften in Hieroglyphen und Keilschrift die Ergebnisse von Grotefend bestätigt.
Inzwischen kann die Archäologie durch mathematische Modelle und den Einsatz von Supercomputern Schriften immer schneller entziffern. Einige Schriften konnten aber bis heute noch nicht entziffert werden, weil die statistischen Entzifferungsmethoden aufgrund zu weniger Fundstücke nicht funktionieren.
Dazu gehört unter anderem Linear Elamite, eine Schrift, die mit den Keilschriften verwandt ist. Sie basiert darauf, in weichen Ton mit einem Werkzeug aus Holz keilförmige Abdrücke zu erzeugen. Verwendet wurde Linear Elamite von den Sumerern, die im Gebiet des heutigen Iran lebten. Die Schrift der Sumerer gilt als älteste komplettes Schriftsystem der Welt.
Linear Elamite wurde von den Sumerern neben der elamitischen Keilschrift verwendet, um monumentale Texte zu verfassen. Entdeckt wurden bisher 40 Artefakte, die 300 verschiedenen Schriftzeichen umfassen. Neue Ansätze für eine Entzifferung dieser seltenen Schrift lieferten acht Silberbecher mit elamitischen Inschriften, die erst im Jahr 2018 entdeckt wurden.
Wissenschaftler um François Desset haben laut einer Publikation in der Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie nun die Keilschrift Linear Elamite nahezu vollständig entschlüsselt. Die bisher publizierten Textabschnitten sollen über den König Puzur-Sušinak berichten. Lediglich 3,7 Prozent der bisher bekannten Schriftzeichen konnten die Forscher bisher nicht übersetzen.
Jacob Dahl, der an der Universität Oxford selbst an der Entzifferung einer Variante des Elamitischen arbeitet, äußert jedoch Zweifel an der kürzlich publizierten Entzifferung von Linear Elamite. Er kritisiert, dass die analysierten Tafeln verdächtige Fehler enthalten. Die Entzifferung der Keilschrift könnte deshalb laut ihm auf Fälschungen basieren.
Auch Experten des Museums für Kulturgeschichte berichten von einer zweifelhaften Herkunft der Artefakte. Die verwendeten Stücke stammen von einem Privatsammler und könnten deshalb illegal aus dem Iran ausgeführt worden sein. Bei privaten Sammlungen sind Gegenstände aus dem Schwarzhandel und sogar aus Plünderungen keine Ausnahme.
Martin Schøyen, der den Forschern die Artefakte aus seiner Sammlung zur Verfügung stellte, weist die Vorwürfe von sich. Laut ihm stammen die Keilschriften sowie die anderen Kunstgegenstände der Sammlung aus seriösen Quellen. Hinweise auf Fälschungen und gestohlene Gegenstände wurden bisher nicht entdeckt.
Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie, doi: 10.1515/za-2022-0003