Robert Klatt
Knochen aus Massengräbern zeigen, dass die Pest vor etwa 4.000 Jahren Großbritannien erreicht hat.
London (England). Forscher der Universität Tübingen, der University of Sterling und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA) haben kürzlich den Ursprung des Schwarzes Tods, die im Mittelalter etwa 60 Prozent der Bevölkerung in Europa tötete, rekonstruiert. Nun haben Wissenschaftler des Francis Crick Institute, der University of Oxford, der Levens Local History Group und des Wells and Mendip Museum die ältesten Belege der Pest in Großbritannien entdeckt.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Communications entnahmen die Forscher kleine Knochenproben von 34 Individuen aus einem Massengrab in Charterhouse Warren und einem Hügelgrab in Levens. Die Proben untersuchten sie in einem speziellen Reinraum auf das Bakterium Yersinia pestis, in dem sie in den Zahn bohren und Zahnmark extrahieren, das DNA-Reste von Infektionskrankheiten einfangen kann.
Anschließend analysierten sie die DNA und identifizierten drei Fälle von Yersinia pestis bei zwei Kindern, die zum Zeitpunkt ihres Todes schätzungsweise zwischen 10 und 12 Jahre alt waren, und bei einer Frau im Alter von etwa 35 bis 45 Jahren. Mit der Radiokarbonmethode konnte gezeigt werden, dass die drei Personen wahrscheinlich etwa zur gleichen Zeit lebten.
Die Pest wurde bereits in mehreren Individuen aus Eurasien zwischen 5.000 und 2.500 Jahren vor heute nachgewiesen, eine Zeitspanne, die das späte Neolithikum und die Bronzezeit umfasst, war jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Großbritannien aufgetreten. Die weite geografische Verbreitung deutet darauf hin, dass dieser Peststamm sich möglicherweise leicht ausgebreitet hat.
Die LNBA-Linie wurde wahrscheinlich vor rund 4.800 Jahren von Menschen, die sich in Eurasien ausbreiteten, nach Zentral- und Westeuropa gebracht. Wie Pooja Swali erklärt, legen die Ergebnisse nahe, dass sie sich auch bis nach Großbritannien ausdehnte.
„Die Fähigkeit, alte Krankheitserreger aus degradierten Proben von vor Tausenden von Jahren zu entdecken, ist unglaublich. Diese Genome können uns über die Ausbreitung und evolutionäre Veränderungen von Krankheitserregern in der Vergangenheit informieren und uns hoffentlich helfen zu verstehen, welche Gene bei der Ausbreitung von Infektionskrankheiten wichtig sein könnten. Wir sehen, dass diese Yersinia pestis-Linie, einschließlich der Genome aus dieser Studie, im Laufe der Zeit Gene verliert, ein Muster, das auch bei späteren Epidemien durch den gleichen Krankheitserreger aufgetreten ist.“
Mittels Gensequenzierung konnten die Forscher nachweisen, dass dieser Stamm von Yersinia pestis stark dem Stamm ähnelt, der zur gleichen Zeit in Eurasien identifiziert wurde. Die identifizierten Genome fehlten alle die Gene yapC und ymt, die in späteren Peststämmen zu finden sind, wobei letzteres bekanntermaßen eine wichtige Rolle bei der Übertragung der Pest durch Flöhe spielt. Frühere Erkenntnisse legten nahe, dass dieser Peststamm nicht durch Flöhe übertragen wurde, im Gegensatz zu späteren Peststämmen wie dem, der die Schwarze Pest verursachte.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-38393-w