Robert Klatt
Neuentdeckte Fossilien zeigen, dass die Vorfahren des Menschen zeitgleich mit den letzten Dinosauriern auf der Erde lebten.
Seattle (U.S.A.). Die ersten Urformen der Säugetiere entstanden bereits zur Zeit der Dinosaurier vor etwa 100 Millionen Jahren. Wann sich aus diesen Säugetieren die ersten Primaten, also die Ordnung, der Menschen, Affen und Lemuren angehören, wurden, konnte die Forschung bislang nicht klar beantworten. Laut molekulargenetischen Studien könnten auch Urprimaten zur Zeit der Dinosaurier entstanden sein, die ältesten Fossilien dieser Säugetiergruppe sind aber „nur“ 47 bis 55 Millionen Jahre alt.
Eine Entdeckung von Wissenschaftler der University of Washington liefert nun neue Hinweise auf die Evolution der frühen Vorfahren des Menschen. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Royal Society Open Science entdeckte das Team aus Paläontologen um Gregory Wilson Mantilla bei Ausgrabungen im US-Bundesstaat Montana fünf fossile Primatenzähne. Morphologische Analysen belegen, dass diese Zähne zu zwei zuvor noch nicht beschriebenen Arten aus der Gattung Purgatorius gehören.
Bei der Gattung Purgatorius handelt es sich um die älteste und ursprünglichste Gruppe der frühen Primaten. Die nun gefundenen Zähne liefern Hinweise darauf, dass die urzeitlichen Säuger sowohl Insekten als auch pflanzliche Nahrung fragen und im Wald lebten.
Gregory Wilson: „Sie sind daher besonders wichtig, um die Primaten-Herkunft zu verstehen.“
Laut der Datierung der Fossilien lebten die Primaten vor etwa 65,9 Millionen Jahren, also nur etwa 105.000 bis 139.000 Jahre nachdem Massenaussterben der Dinosaurier. Die Ursäuger P. mckeeveri sowie Purgatorius janisae sind damit die ältesten der Wissenschaft bekannten Vertreter der Primaten.
Stephen Chester, City University of New York: „Diese Entdeckung repräsentiert das älteste datierte Vorkommen früher Primaten in der Fossilgeschichte.“
Gregory Wilson: „Sie gehörten zu den ersten Säugetieren, die sich in der neuen postkatastrophalen Welt nach dem Massenaussterben ausbreiteten. Das erweitert unser Verständnis dafür, wie die frühesten Primaten sich nach dem Untergang der Dinosaurier von ihren Konkurrenten absetzten.“
Das Vorhandensein von mindestens zwei Purgatorius-Spezies direkt nach dem Massenaussterben zeigt, dass die Arttrennung dieser Spezies noch deutlich weiter zurückliegen muss. Als wahrscheinlichen Ursprung vermuten die Paläontologen die späte Kreidezeit, also eine Zeit vor dem Massenaussterben der Dinosaurier. Es wäre demnach möglich, dass die Vorfahren der Menschen bereits gemeinsam mit den letzten Dinosaurier auf der Erde lebten.
Gregory Wilson: „Über einen kreidezeitlichen Ursprung der Primatenartigen wird von Paläontologen schon lange spekuliert. Unsere Daten liefern nun stärkere Belege dafür, dass die Wurzeln der Primaten und Plazentatiere bis in die späte Kreidezeit zurückreichen.“
Royal Society Open Science, doi: 10.1098/rsos.210050