Robert Klatt
In Niedersachsen wurde die älteste Spinne Deutschlands entdeckt. Das Fossil der Art Arthrolycosa wolterbeeki ist 310 bis 315 Millionen Jahre alt und überraschend gut erhalten.
Berlin (Deutschland). Der World Spider Catalog (WSC) des Naturhistorischen Museum Bern umfasste bereits im April 2022 50.000 Spinnenarten. Inzwischen wurden zahlreiche weitere Spinnenarten entdeckt, darunter 99 Riesenkrabbenspinnen der Gattung Pseudopoda in Süd-, Ost- und Südostasien und drei Vogelspinnenarten in Kolumbien. Laut Paläontologen lebten auf der Erde vor rund 300 Millionen Jahren noch deutlich weniger Spinnen. Entsprechende Fossilien aus dem Karbonzeitalter werden deshalb nur selten gefunden. Bisher kennt die Wissenschaft lediglich elf Arten aus dieser erdgeschichtlichen Periode, die als Spinnen identifiziert wurden.
Forscher um Dr. Jason Dunlop vom Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung haben nun im Steinbruch Piesberg bei Osnabrück in Niedersachsen eine zwölfte Spinnenart aus dem Karbonzeitalter entdeckt. Laut der Publikation in der Paläontologischen Zeitschrift lebte Arthrolycosa wolterbeeki vor rund 310 bis 315 Millionen Jahren und ist damit die älteste Spinne Deutschlands. Der vorherige Rekordhalter aus dem Jurazeitalter war „nur“ 145 bis 200 Millionen Jahre alt.
Laut Dunlop sind die Merkmale des Arthrolycosa-Fossils bemerkenswert gut bewahrt, inklusive der seidenproduzierenden Spinndrüsen und sogar Haaren und Krallen, die an den Spinnenbeinen identifiziert werden können. Dieses besondere Merkmal, die Spinndrüsen, legitimiert die Arthrolycosa als echte Spinne und differenziert sie von bloßen spinnenähnlichen Kreaturen. Dunlop schätzt weiterhin, dass die Körperlänge des prähistorischen Spinnenwesens ungefähr einen Zentimeter erreichte. Es wird angenommen, dass die Spannweite ihrer Beine rund vier Zentimeter betrug.
Die Struktur von Arthrolycosa wolterbeeki, insbesondere der segmentierte Hinterleib, deutet auf eine Zugehörigkeit zu der ursprünglichen Gliederspinnen hin. Im Gegensatz zu den meisten zeitgenössischen Spinnenarten haben diese Arten noch auffällig definierte Segmente im Hinterleib. Heutige Vertreter dieser Untergruppe von Webspinnen sind hauptsächlich in Ostasien anzutreffen. Ihr Verhalten ist durch ein Leben gekennzeichnet, das hauptsächlich in einem von Seide umgebenen Bau verbracht wird. Diese Seide dient als eine Art Stolperdraht, der die Spinnen alarmiert, wenn potenzielle Beute sich nähert.
„Wenn Spinnen aus dem Karbon einen ähnlichen Lebensstil des ‚Sitzens und Wartens‘ in einer Höhle oder einer ähnlichen Art von Rückzugsort hatten, könnte dies erklären, warum sie nur selten mit Gewässern in Berührung kamen, die für ihre Erhaltung als Fossilien notwendig sind.“
Sollte Arthrolycosa wolterbeeki wirklich einst Stolperdrähte ausgelegt haben, dann geschah dies in den tropischen Kohlewäldern, die einst in Niedersachsen existierten, als diese Region im Karbonzeitalter noch am Äquator lag. Die Spinne bewohnte diesen Lebensraum gemeinsam mit anderen Lebewesen wie Pfeilschwanzkrebsen, Skorpionen, Süßwassermuscheln und verschiedenen Insektenarten.
Paläontologische Zeitschrift, doi: 10.1007/s12542-023-00657-7