Mageninhalt von Wiederkäuern

Eiszeitmenschen aßen Kohlenhydrate aus unerwarteter Quelle

Robert Klatt

10.000 bis 11.000 Jahre alte Folsom-Spitze für die Bisonjagd )ude.hcimuygoloeahcrA lacigoloporhtnA fo muesuM nagihciM fo ytisrevinU(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • In Europa gab es während des Letzteiszeitlichen Maximums (LGM) kaum Kohlenhydratquellen für die frühen Europäer 
  • Eine Anthropologin hat nun entdeckt, dass die Menschen vorverdaute Pflanzen aus den Mägen ihrer Beutetiere aßen
  • Ein Bison konnte inklusive des Fleisches und des Mageninhalts eine Gruppe von 25 Personen für mindestens drei Tage versorgen

In Europa gab es während der Eiszeit kaum Kohlenhydratquellen für die ersten modernen Menschen. Eine Anthropologin hat nun eine unerwarteter Nahrungsquelle der frühen Europäer entdeckt.

Ann Arbor (U.S.A.). Der moderne Mensch erreichte die mittleren Breitengrade Europas nach seinem langen Weg aus Afrika vor etwa 45.000 Jahren. In den afrikanischen Ebenen konnten die frühen Menschen sich mit der Jagd und dem Sammeln von Obst, Samen und gut verdaulichen Pflanzen leicht ernähren. Die ersten Siedler in Europa hatten während des Letzteiszeitlichen Maximums (LGM) vor etwa 20.000 Jahren hingegen ein deutlich schlechteres Nahrungsangebot.

Die Versorgung mit Proteinen war trotz der langen Eiszeit gut. Ein Mammut oder ein großer Wiederkäuer konnte eine Gruppe mit ausreichend Fleisch für mehrere Tage versorgen. Bisher konnte die Archäologie aber noch nicht rekonstruieren, wie der Homo sapiens seinen Kohlenhydratbedarf während der entbehrungsreichen Wintermonate decken konnte.

Vorverdaute Pflanzen der Beutetiere

Raven Garvey, eine Anthropologin der University of Michigan (UMich) hat nun eine Antwort auf diese Frage gefunden. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Evolution Anthropology aßen die frühen Europäer vorverdauten Pflanzen aus den Mägen ihrer Beutetiere.

Im Verdauungssystem der Tiere kamen die Pflanzen in Kontakt mit fermentierenden Bakterien, die Zellulose zu Zucker abbauen. Menschen könnten durch die Vorverdauung also Nährstoffe aus Blättern, Gräsern und rohfaserreiche Pflanzen aufnehmen, die ihr eigener Verdauungstrakt im Ursprungszustand nicht verwerten könnte.

Beide Geschlechter bei der Jagd

In Garveys Studie wurde ermittelt, dass ein erlegtes Bison, inklusive des Fleisches und des Mageninhalts, ausreichen könnte, um den gesamten Ernährungsbedarf einer Gruppe von 25 Personen für mindestens drei Tage zu gewährleisten. Ihrer Ansicht nach stützt diese Hypothese zudem die Auffassung, dass es keine strikte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in Bezug auf die Nahrungsbeschaffung gab, d. h., dass Männer nicht ausschließlich für die Proteine und Frauen für die Kohlenhydrate verantwortlich waren.

„Im Winter war es wohl sinnvoller, dass sich Frauen an der Jagd beteiligten, als mühsam nach pflanzlicher Kost zu suchen.“

Inzwischen existieren zahlreiche archäologische Funde, die belegen, dass auch Frauen in der letzten Eiszeit gejagt haben. Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Großwildjäger könnten demnach weiblich gewesen sein.

Weitere Quellen für Makronährstoffe

Garvey ist der Meinung, dass der Mageninhalt von Wiederkäuern vermutlich nicht die alleinige Quelle essenzieller Makronährstoffe für eine Gruppe darstellte. Dennoch, selbst wenn diese Ressource lediglich einen Teil des Kohlenhydratbedarfs abdeckte, hätte sie dazu beitragen können, den Aufwand für die Suche nach pflanzlichen Nahrungsmitteln zu reduzieren. Dies hätte wiederum mehr Zeit und Energie für andere Aktivitäten freigesetzt.

„Dass diese unterschätzte Ressource bislang nicht berücksichtigt wurde, wirkt sich auch auf Studien aus, die sich mit wichtigen Fragen der evolutionären Anthropologie befassen. Stellt man diese zusätzliche Kohlenhydrat- und Kalorienquelle in Rechnung, kommt man zu anderen Ergebnissen bei der Entwicklung von Modellen zur prähistorischen Nahrungssuche.“

Evolution Anthropology, doi: 10.1002/evan.21979

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