Robert Klatt
In Afrika wurden gemeinsame Fußabdrücke unterschiedlicher Menschenarten entdeckt. Die rund 1,5 Millionen Jahre Spuren belegen erstmals, dass die frühen Menschenarten in einem gemeinsamen Lebensraum koexistiert haben.
Pittsburgh (U.S.A.). In Afrika haben sich vor vier bis einer Million Jahre mehrere Vor- und Frühmenschenarten entwickelt. Das Gehirn des modernen Menschen (Homo sapiens) entstand laut einer Studie der Universität Zürich (UZH) vor rund 1,7 Millionen Jahren in Afrika, als die dort lebenden Kulturen zunehmend komplexer wurden. Fossilienfunde aus unterschiedlichen Regionen deuten zudem darauf hin, dass mehrere Hominine parallel und nah beieinander existiert haben. Die Archäologie konnte aufgrund der wenigen Fossilienfunde bisher aber noch nicht beantworten, ob es eine Koexistenz zwischen den frühen Menschenarten gab und ob diese sich begegnet sind.
Wissenschaftler der Chatham University und der Rutgers University haben nun in der Fossilfundstätte Koobi Fora erstmals Belege für eine Koexistenz verschiedener früher Menschenarten entdeckt. In der Fossilfundstätte in Kenia haben Forscher seit dem Beginn der Ausgrabungen im Jahr 1969 tausende Knochen und Steinwerkzeuge unterschiedlichen Vor- und Frühmenschenarten gefunden. Im Jahr 2007 fanden sie zudem fossile Fußspuren des Homo erectus, die sie anhand der Fußanatomie identifizieren konnten.
Laut dem Fachmagazin Science haben die Forscher im Jahr 2021 weitere Fußabdrücke am Seeufer entdeckt, darunter einzelne Abdrücke mehrerer Frühmenschen, eine lange Spur eines Menschen und Abdrücke eines urzeitlichen Marabus. Die Abdrücke sind etwa 1,52 Millionen Jahre alt.
„Fossile Fußabdrücke sind spannend, weil sie Schnappschüsse darstellen, die Einblicke in das Leben unserer fossilen Verwandten geben. An solchen Daten können wir sehen, wie sich Individuen vor Millionen Jahren durch ihre Umwelt bewegten und dabei miteinander oder mit anderen Tieren interagierten. Das ist etwas, das uns Knochen oder Steinwerkzeuge nicht liefern können.“
Eine detaillierte Analyse der Fußspuren zeigt, dass die Gangmuster und die Anatomie sich so stark voneinander unterscheiden, dass die Spuren nicht von derselben Menschenart stammen können. Einer der Abdrücke ähnelt den Abdrücken des modernen Menschen (Homo sapiens) und stammt wahrscheinlich von einem Homo erectus, während die durchgehende Spur deutlich primitiver ist und wohl von einem Vormenschen (Paranthropus boisei) stammen. Es handelt sich somit um den ersten Beleg zweier Homininenarten mit aufrechtem Gang aus einem Fundgebiet.
Die Fundstelle der beiden Spuren zeigt, dass die beiden Menschenarten nahezu parallel am schlammigen Seeufer gelaufen sein müssen und sich womöglich sogar begegnet sind.
„Diese Homininen gingen über die gleiche Oberfläche – innerhalb von nur wenigen Stunden. Die Tatsache, dass diese Arten gleichzeitig vorkamen, ist zwar keine Überraschung, aber dies ist der erste klare Beweis. Das ist wirklich eine große Sache.“
Laut den Wissenschaftlern zeigen die Spuren, dass die beiden Menschenarten vor etwa 1,5 Millionen Jahren um den Turkanasee gelebt haben und dass der See eine wichtige Ressource für sie war. Es ist wahrscheinlich, dass beide Menschenarten im und um den See ausreichend Nahrung gefunden haben und deshalb nicht in Konkurrenz zueinanderstanden. Fossilien des Paranthropus boisei zeigen, dass dieser hauptsächlich Gräser, Knollen und Samen gegessen hat, während der Homo erectus sich von Früchten, Fleisch und Fisch ernährt hat. Lange hat die Koexistenz trotz der fehlenden Nahrungskonkurrenz aber nicht gedauert.
„Später haben klimabedingte Umweltveränderungen die Verfügbarkeit der Ressourcen verschoben.“
Der Klimawandel hat dazu geführt, dass die Nahrung des Paranthropus boisei, die der Ernährung der heutigen Paviane ähnelt, seltener wurde. Der intelligentere Homo erectus konnte sich hingegen an die veränderten Umweltbedingungen anpassen und überleben.
„Damit liefern die Ergebnisse von Hatala und Team einen faszinierenden Einblick in die Verhaltensökologie von gleichzeitig vorkommenden Homininenarten. Sie deuten auf Aspekte der Paläobiologie hin, die schwer zu rekonstruieren, aber entscheidend für unser Verständnis dieser und anderer Vertreter der Homininen sind.“
Science, doi: 10.1126/science.ado5275