Robert Klatt
Menschliche Knochen aus Gräbern von Steppennomaden zeigen, dass die Jamnaja-Kultur vor etwa 4.500 bis 5.000 Jahren regelmäßig geritten ist. Die morphologische Veränderungen sind der bisher älteste Beleg für das Reiten beim Menschen.
Helsinki (Finnland). In der Menschheitsgeschichte war die Domestikation der Pferde einer der zentralen Meilensteine. Durch die Nutzung als Reit- und Lasttier konnten die frühen Menschen längere Entfernungen überwinden, neue Methoden in der Landwirtschaft nutzen und große Lasten besser transportieren. Laut unterschiedlichen Studien deuten archäologische und genetische Indizien daraufhin, dass die Bewohnern der eurasischen Steppe die ersten Pferde vor etwa 5.500 Jahren zähmten. Die Pferde sollen von ihnen aber nur als Fleisch- und Milchlieferanten und nicht zum Reiten verwendet worden sein.
Wann die ersten Pferde als Reittiere dienten, konnte die Archäologie bisher nicht beantworten. Es wurden zwar Skelette von Pferden in alten Siedlungen entdeckt, deren Knochen zeigen aber nicht, ob diese auch zum Reiten verwendet wurden. Andere Hinweise darauf wie etwa Zaumzeug konnten die Ausgrabungen nicht offenbaren, weil deren Materialien in den Jahrtausenden zersetzt wurde.
In der Wissenschaft hat man angenommen, dass Nomadenkulturen der eurasischen Steppe die ersten Reiter waren. Die Jamnaja-Kultur, die in Bronzezeit einen Großteil der eurasischen Steppe bewohnten, gelten als die wahrscheinlichsten ersten Reiter. Die Jamnaja verbreiteten sich vor etwa 5.000 Jahren in nur wenigen Jahrhunderten von der pontisch-kaspischen Steppe bis in die Mongolei und nach Südosteuropa. Wie Martin Trautmann von der Universität Helsinki erklärt, könnte bislang aber nicht belegt werden, ob die Jamanja dabei Pferde ritten.
„Es ist schwer vorstellbar, wie diese Expansion ohne fortgeschrittene Transportmethoden möglich war.“
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances untersuchten die Forscher der Universität Helsinki deshalb mit einer neuen Methode, ob die Menschen der Jamnaja-Kultur Reiter waren. Als Basis nutzten sie Darstellungen von frühen Reitern aus dem alten Ägypten. Diese zeigen typischerweise Pferde ohne Sattel und Steigbügel mit Reitern in einem typischen Stuhlsitz.
„Der Stuhlsitz ist physisch anstrengend, weil die Beine ständig zusammengedrückt werden müssen, um Halt auf dem Pferderücken zu finden, und weil man ständig balancieren muss.“
Der typischen Stuhlsitz verursacht also mittel- bis langfristig bei den Reitern morphologische Veränderungen an den Knochen und Muskelansatzstellen der Oberschenkelknochen und der Hüfte. Die Archäologen haben deshalb Skelette von 156 Menschen der Jamnaja-Kultur und anderer Steppenbewohnern aus der Zeit vor 4.500 bis 5.000 Jahren auf charakteristische Veränderungen untersucht. Erfüllte ein Skelett drei der sechs definierten Kriterien, wurde der Mensch als potenzielle Reiter gewertet.
24 der 156 Toten (15,4 %) erfüllten mindestens drei Kriterien. Es ist demnach wahrscheinlich, dass die Toten sich häufiger hoch zu Ross fortbewegt haben. Neun der 24 Skelette (37,5 %) wiesen vier Indikatoren auf und fünf der 24 Skelette (20,8 %) fünf oder sechs Indikatoren. Es gilt damit als sicher, dass die Menschen regelmäßig geritten sind. Entdeckt wurden die Skelette in 4.500 bis 5.000 Jahre alten Grabhügeln der Jamnaja-Kultur in Ungarn, Bulgarien und Rumänien.
„Dies sind die ältesten Menschen, die bisher klar als Reiter identifiziert worden sind. Das Reiten scheint sich demnach nicht lange nach der Domestikation der Pferde in den westlichen Steppen Eurasiens entwickelt zu haben.“
Laut den Autoren waren die ersten Reitpferde wahrscheinlich noch nicht so zahm wie heutige Tiere. Sie waren damit nicht geeignet für den Kampf.
„Aber das Reiten war sicher nützlich, um ausgedehnte Gebiete zu patrouillieren und große Viehherden zu überwachen.“
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.ade2451