Robert Klatt
Fossile Knochen mit Schnittspuren von Steinwerkzeugen aus Grăunceanu (Rumänien) zeigen, dass Frühmenschen Afrika 200.000 Jahre früher verlassen und Europa 500.000 Jahre früher erreicht haben, als bisher angenommen wurde.
Athens (U.S.A.). In der Anthropologie herrscht bis heute Uneinigkeit darüber, wann die ersten Frühmenschen (Hominini), enge Vorfahren des modernen Menschen (Homo sapiens), aus Afrika nach Europa gelangt sind. Es gilt bisher als sicher, dass die ersten Homininen vor mindestens 1,4 Millionen Jahren in Europa gelebt haben. Unterschiedliche Spuren deuten jedoch daraufhin, dass Frühmenschen Europa bereits deutlich eher besiedelt haben.
Zu den Indizien von früheren Homininen in Europa gehören unter anderem fossile Knochen mit Schnittspuren, die in Grăunceanu (Rumänien) entdeckt wurden. An diesem Fundort im Tal des Olteț-Flusses wurden bereits in den 1960er-Jahren zahlreiche Fossilien entdeckt, darunter aber keine Knochen von Homininen. Anthropologen haben deshalb nach anderen Belegen für die Existenz von Homininen gesucht, darunter Steinwerkzeuge.
Nun haben Forscher der Ohio University (OU) und der University of Arkansas (UA) eine Studie publiziert, für die sie rund 5.000 Knochen aus Grăunceanu sorgfältig auf Schnittspuren von Steinwerkzeugen untersucht haben. Solche Schnittspuren entstehen, wenn Frühmenschen Fleisch von getöteten Tieren entfernen. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Communications haben sie dabei 20 Knochen mit eindeutigen menschlichen Schnittspuren entdeckt. Diese sind laut einer präzisen Uran-Blei-Datierungsmethode mindestens 1,95 Millionen Jahre alt.
Der älteste Nachweis für Homininen außerhalb von Afrika wurde zuvor in Dmanisi (Georgien), der Schnittstelle zwischen Europa und Asien, entdeckt. Laut Datierungsmethoden lebten Homininen in dieser Region bereits vor etwa 1,8 Millionen Jahren. Der neue Fund belegt somit, dass Frühmenschen Afrika 200.000 Jahre früher verlassen und Europa 500.000 Jahre früher erreicht haben, als bisher angenommen wurde.
Die Forscher haben zudem das damalige Lebensumfeld der Homininen mithilfe von isotopischen Analysen rekonstruiert. Diese zeigen, dass es in der Region starke saisonale Temperaturschwankungen gab und dass die Niederschlagsmengen höher als heute waren. Die Umgebung unterschied sich also stark von der ursprünglichen Umgebung der Homininen in Afrika. Zudem zeigen die Tierfossilien, dass die Homininen in Europa andere Tiere trafen, darunter Wollnashörner, Säbelzahnkatzen, Schuppentiere und Mammuts.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-025-56154-9