Robert Klatt
Das Römische Reich hat durch den Silberbergbau die Luft stark mit Blei belastet. Dadurch ist der Intelligenzquotient (IQ) der damaligen Bevölkerung in Europa merklich gesunken.
Reno (U.S.A.). Das Schwermetall Blei kann über die Lunge in den Blutkreislauf des Menschen gelangen und der Gesundheit des Menschen schaden. Es ist unter anderem bekannt, dass eine hohe Bleibelastung bei Erwachsenen das Immunsystem schwächt, Gedächtnisverlust auslöst und zu Unfruchtbarkeit führen kann. Außerdem kann Blei bei Kindern bereits in geringen Mengen zu Konzentrationsproblemen führen und den Intelligenzquotienten (IQ) dauerhaft senken. Laut einer Studie der Duke University hat bleihaltiges Benzin in den U.S.A. rund 824 Millionen IQ-Punkte zerstört.
Forscher des Desert Research Institute (DRI) haben nun eine Studie publiziert, die untersucht hat, wie stark die Erdatmosphäre in der Zeit des Römischen Reiches zwischen 500 vor Christus und 600 nach Christus mit Blei belastet war und wie sich die Luftverschmutzung auf die damals lebenden Menschen ausgewirkt hat.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS haben die Wissenschaftler dazu drei Eisbohrkerne aus der Jahrtausende alten Eisschicht der Arktis entnommen. Die Eisbohrkerne ermöglichen Rückschlüsse auf das Klima und die Verschmutzung der Luft. Anschließend haben die Forscher mit Modellen zur Aerosolbewegung eine Karte erstellt, die die Bleibelastung im damaligen Europa zeigt.
Laut den neuen Daten war die Luft bereits in der Eisenzeit stark mit Blei belastet. Die Bleiverschmutzung nahm bis zum späten 2. Jahrhundert vor Christus zu, dem Zeitpunkt, in dem das Römische Reich ihren ersten Höhepunkt erreicht hat. Im 1. Jahrhundert vor Christus, als die Römische Republik eine Krise durchlebt hat, sank die Bleibelastung signifikant. Etwa 15 vor Christus nahm die Luftverschmutzung parallel mit dem Aufstieg des Römischen Reiches wieder stark zu und bliebt bis zur Antoninuspest, die rund ein Zehntel der Menschen in Europa getötet hat, auf einem hohen Niveau.
Insgesamt sind laut den analysierten Eisbohrkernen in der Pax Romana, die rund 175 Jahre andauert, über 500 Kilotonnen Blei in die Luft gelangt. Es handelt sich dabei um einen historischen Rekord, der erst deutlich später übertroffen wurde.
„Diese Forschung verändert unser Verständnis der Ära, indem sie genaue Verbindungen zwischen den Aufzeichnungen der Bleiverschmutzung und historischen Ereignissen wie Bevölkerungsrückgängen im Zusammenhang mit periodischen Seuchen und Pandemien aufzeigt.“
Wie die Analyse des Eises zeigt, korrelierte die Bleiverschmutzung stark mit dem wirtschaftlichen Auf- und Abschwung des Römischen Reiches. Historische Dokumente zeigen, dass die Römer Blei in zahlreichen Produkten verwendet haben. Laut einer Isotopenanalyse stammte ein Großteil des Bleis aus der damaligen Erdatmosphäre, aber aus dem Bergbau. Die wohl größte Quell der Bleibelastung war der Silberbergbau, bei dem die Römer das bleireiche Mineral Galenit eingeschmolzen haben. Dabei wurden pro Unze Silber über tausend Unzen Blei freigesetzt.
Laut den Analysen hat die starke Bleibelastung in der Pax Romana dazu geführt, dass Kinder unter fünf Jahren etwa 3,4 Mikrogramm Blei in einem Deziliter ihres Blutes hatten. Um die gesundheitlichen Auswirkungen der hohen Bleibelastung zu untersuchen, haben die Forscher aktuelle Ergebnisse aus epidemiologischen Studien verwendet, laut denen die Bleiexposition die kognitive Leistungsfähigkeit reduziert. Der mittlere IQ der europäischen Bevölkerung ist um Zeitraum der Römischen Herrschaft demnach um 2,5 bis drei Punkte gesunken.
„Eine IQ-Reduktion um zwei bis drei Punkte klingt nicht nach viel, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist das eine große Sache.“
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2419630121