Genanalysen

Menschen stammen wohl von zwei Gründerpopulationen ab

 Robert Klatt

Evolution des modernen Menschen (home sapiens) )kcotS ebodAotohP thgilyaD(Foto: © 

Der moderne Mensch stammt wohl von zwei Gründerpopulationen ab, die sich erst getrennt und später wieder vereint haben. Wer die Vorfahren des Homo sapiens waren, können die Genanalysen jedoch nicht beantworten.

Cambridge (England). In der Forschung geht man seit rund zwei Jahrzehnten davon aus, dass der moderne Mensch (Homo sapiens) vor 200.000 bis 300.000 Jahren in Afrika entstanden ist und einer einzelnen Gründerpopulation entstammt. Forscher der University of Cambridge haben nun mit Analysen ganzer Genomsequenzen entdeckt, dass der moderne Mensch wohl durch die genetische Vermischung von zwei alten Gründerpopulationen entstanden ist.

„Die Frage, woher wir kommen, fasziniert die Menschheit seit Jahrhunderten. Lange Zeit ging man von einer einzigen, durchgehenden Ahnenlinie aus – aber die Details unseres Ursprungs sind nach wie vor unklar.“

Die beiden Ahnenpopulationen haben sich demnach vor etwa 1,5 Millionen Jahren voneinander entfernt und vor etwa 300.000 Jahren wieder vereint. Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Genetics stammen etwa 80 Prozent der Gene des modernen Menschen von einer der beiden Linien und die übrigen 20 Prozent des Erbguts von der zweiten Linie.

„Unsere Forschung zeigt deutliche Anzeichen dafür, dass unser evolutionärer Ursprung komplexer ist. Unterschiedliche Gruppen entwickelten sich über mehr als eine Million Jahre hinweg getrennt, bevor sie sich wieder vereinten und die heutige Menschheit formten.“

Genetisches Vermischungsereignis prägte die Evolution des Menschen

Es ist bereits seit Langem bekannt, dass der Homo sapiens sich vor rund 50.000 Jahren mit Neandertalern (Homo neanderthalensis) und Denisova-Menschen gekreuzt hat. Laut der neuen Analyse von DNA aus fossilen Knochen und DNA des modernen Menschen gab es jedoch noch ein deutlich früheres genetisches Vermischungsereignis. Es gab demnach zwei Ahnenpopulationen, die keine physischen Überreste hinterlassen haben und deshalb bisher nicht bekannt waren.

„Unmittelbar nach der Trennung der beiden Ahnenpopulationen beobachten wir in einer von ihnen einen starken genetischen Engpass – ein Hinweis darauf, dass sie auf eine sehr kleine Größe schrumpfte und sich über eine Million Jahre hinweg langsam wieder erholte. Diese Population lieferte später etwa 80 Prozent des genetischen Materials moderner Menschen – und scheint auch jene Linie zu sein, aus der sich Neandertaler und Denisovaner entwickelten.“

Die zweite Ahnenlinie des modernen Menschen hat rund ein Fünftel seines Erbguts geliefert. Laut den Analysen liegt dieses jedoch größtenteils in Bereichen außerhalb der funktionalen Genbereiche. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass eine genetische Unverträglichkeit mit dem dominanten Erbgut besteht.

„Einige der Gene, die von der weniger vertretenen Population stammen, insbesondere jene im Zusammenhang mit Gehirnfunktion und neuronaler Verarbeitung, könnten jedoch eine entscheidende Rolle in der menschlichen Evolution gespielt haben.“

Die Vorfahren des modernen Menschen

Wer die beiden Vorfahren des modernen Menschen waren, kann die Studie nicht beantworten. Laut unterschiedlichen Fossilienfunden sind der Homo erectus und der Homo heidelbergensis potenzielle Kandidaten für die beiden Ahnenpopulationen. Ob diese Zuordnung korrekt ist, kann aber erst zweifelsfrei beantwortet werden, wenn entsprechende Fossilienfunde erfolgen.

Die Forscher der University of Cambridge wollen nun ihr Modell weiterentwickeln, um die genetische Durchmischung zwischen den beiden Gründerpopulationen im Detail untersuchen zu können. Zudem wollen sie ihre Erkenntnisse mit anthropologischen Entdeckungen, die darauf hindeuten, dass frühe Menschen weitaus vielfältiger gewesen waren als bisher angenommen wurde, verknüpfen.

Die Tatsache, dass wir allein durch heutige DNA Ereignisse rekonstruieren können, die sich vor Hunderttausenden oder sogar Millionen Jahren ereignet haben, ist erstaunlich. Und sie zeigt uns, dass unsere Geschichte weit reicher und komplexer ist, als wir bisher angenommen haben.“

Nature Genetics, doi: 10.1038/s41588-025-02117-1

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