Robert Klatt
Ausgrabungen in Japans südlichster Präfektur Okinawa zeigen, dass schon vor hunderten Jahren Handelsrouten zwischen dem Inselstaat und der westlichen Welt existierten.
Okinawa (Japan). Wissenschaftler der Universität Heidelberg haben kürzlich belegt, dass bereits in der Bronzezeit komplexe Handelswege zwischen Europa und Vorderasien existierten. Nun hat der japanische Archäologe Toshio Tsukamoto durch einen Zufallsfund herausgefunden, dass auch zwischen der südlichsten Präfektur Okinawa und der westlichen Welt schon früh Handelsbeziehungen bestanden.
Eigentlich wollte Tsukamoto von der Abteilung für Kulturgüter des Gangoji Tempels in der Burg Katsuren auf Okinawa, einem UN-Weltkulturerbe, Samurai-Rüstungen und Samurai-Schwerter suchen. Diese Artefakte aus mehrfach gefalteten Stahl wurden schon zuvor von anderen Archäologen in dieser Region entdeckt. Bei seinen Ausgrabungen entdeckte Tsukamoto überraschend römische Münzen, die er identifizieren konnte, weil er zuvor bereits in Italien und Ägypten gearbeitet hat, wo diese Münzen regelmäßig gefunden werden. In Japan handelte es sich hingegen um einen erstmaligen Sensationsfund
Gegenüber dem Fernsehsender CNN erklärte Hiroyuki Miyagi von der Okinawa International University sogar, dass „er anfangs dachte, dass es sich um Nachbildungen handelt, die Touristen dort zurückgelassen haben.“ Das Bildungsministerium in Uruma bestätigte jedoch, dass es sich laut einer anschließenden Laboruntersuchung um echte römische Münzen handelt.
Die kaum noch vorhandene Prägung der Münzen deutet auf ein hohes Alter hin und zeigt, dass die Münzen bereits lange genutzt wurden, bevor sie in Japan ankamen. Mithilfe von Röntgenstrahlen gelang es den Archäologen die ursprüngliche Oberfläche wiederherzustellen und so zu offenbaren, dass die Münze einen Soldaten mit Speer und Konstantin den Großen zeigen. Das Produktionsdatum liegt deshalb wahrscheinlich zwischen 300 und 400 nach Christus. Die Herrschaft von Konstantin der Große über das römische Reich dauerte von 306 bis 337 nach Christus.
Die Burg Katsuren wurde hingegen erst im 12. Jahrhundert errichtet. Auf welchem Weg die römischen Münzen in die japanische Burgruine gelangt sind, konnten Tsukamoto und Miyagi bisher nicht erklären. Die Wissenschaftler halten es aber für am wahrscheinlichsten, dass Handelsrouten zwischen Asien und Europa für den Transport verantwortlich sind. Dafür sprechen die bereits belegten Handelsbeziehungen im 14. und 15. Jahrhundert zwischen Okinawa und China sowie weiteren südostasiatischen Staaten.
Neben den römischen Münzen und den Samurai-Artefakten entdeckten Archäologen in der Ruine der Burg Katsuren noch sechs Münzen aus dem Osmanischen Reich. Diese sind auf das 17. Jahrhundert datiert. Laut dem Bildungsministerium „handelt es sich dabei um wertvolles, historisches Material, das eine Verbindung zwischen Okinawa und der westlichen Welt nahelegt.“ Wissenschaftler der Okinawa International University untersuchen nun die jahrhundertealte Geschichte der ausgegrabenen Gegenstände und die Handelsrouten der Samurai, die den Weg der Gegenstände aus Europa erklären könnten.