D. Lenz
Weiße Flecken auf der ältesten Version des weltberühmten Gemäldes "Der Schrei" von Edvard Munch beschäftigte jahrzehntelang die Kunstwelt. Röntgenstrahlen von DESY's Forschungslichtquelle PETRA III bewiesen, es ist weder Vogelkot noch weiße Farbe: Es ist Wachs.
Antwerpen (Belgien). Ende des 19. Jahrhunderts malte Edvard Munch (1863-1944) vier Versionen seines Werkes "Der Schrei". Der Künstler litt unter einer Depression und versuchte mit dem Werk sein Leiden sichtbar zu machen. Die angstvoll aufgerissenen Augen und der zum Schrei geöffnete Mund vermitteln seine Verzweiflung. Das Bild gilt vielen Kunsthistorikern als erstes expressionistisches Gemälde. Die älteste Version übernahm das Norwegische Nationalmuseum. Nur auf diesem Bild finden sich die mysteriösen weißen Flecke.
Da Munch viele seiner Werke im Freien gemalt hatte, entwickelte sich die Theorie, die weißen Flecken seien Vogelkot. Konservatorin Prof. Tine Frøysaker von der Universität Oslo lud im Mai 2016 ein Team von Kunsthistorikern rund um Dr. Geert Van der Snickt von der Universität Antwerpen ein, um gemeinsam die von Munch verwendeten Materialien zu untersuchen. Auch wenn die weißen Flecken nicht im Vordergrund standen, hatte Prof. Frøysaker Zweifel an der Vogelkottheorie. Sie glaubte, es seien eher Spritzer weißer Farbe, die versehentlich auf die Leinwand getropft seien. Eine erste Untersuchung mit einem mobilen Röntgenscanner ergab jedoch keine Anhaltspunkte für Farbspritzer. Es fanden sich weder Pigmente oder Kalzium.
Die Antwerpener Forscher beschlossen, Partikel der weißen Flecken mit dem modernsten Gerät, das derzeit verfügbar ist, zu untersuchen. Sie lösten winzige Proben aus den weißen Flecken ab und gaben sie zur Analyse an das Deutsche Elektronen Synchroton DESY der Heimholtz Gesellschaft. "Ich habe sofort das Streumuster von Wachskristallen erkannt", sagte Doktorand Frederik Vanmeert, der das Material mit der Forschungslichtquelle PETRA III untersuchte. Die Röntgenstrahlen bewiesen, dass es sich um Wachs handelt. Wahrscheinlich stammen die Wachsflecken von einer Kerze aus dem Atelier Munchs und sind aus Versehen auf das Gemälde gespritzt. Eine Vergleichsprobe mit Vogelexkrementen, die ebenfalls von PETRA III durchleuchtet worden war, zeigte keinerlei Ähnlichkeiten.