Mitteliranische Sprache

Rätselhafte antike Schrift entschlüsselt

Robert Klatt

Zweisprachige Inschrift der Kuschana in Tadschikistan )veollumoboB ollumoboB(Foto: © 

Die Kuschana gehörten zu den einflussreichsten Imperien der Antike. Nun haben Forscher ihre komplexe Schrift entschlüsselt.

Köln (Deutschland). Das Kuschana-Imperium, erstreckte sich über Zentralasien und Nordindien und erreichte seine maximale Größe zwischen 100 und 250 n. Chr. Dieses grenzüberschreitende Reich, dessen Territorien von der heutigen Region Tadschikistan bis zum Kaspischen Meer und von der heutigen afghanischen Region bis hinunter ins Indus-Tal und das Ganges-Yamuna-Delta reichten, war ein bedeutendes Zentrum kultureller und künstlerischer Aktivitäten in der Antike.

Monumentale Architektur und bemerkenswerte Kunstwerke zeugten von der kulturellen Lebendigkeit der Kuschana-Zeit. Darüber hinaus unterhielten die Kuschana bedeutende Handelsbeziehungen, die sich bis nach Rom und China erstreckten, und spielten eine entscheidende Rolle in der Verbreitung des Buddhismus durch ganz Asien.

Mysteriöse Schriftzeichen des Kuschana-Imperiums

In den 1950er-Jahren haben Forscher mehrere kurze Inschriften des Kuschana-Imperiums in Tadschikistan, Afghanistan und Usbekistan entdeckt. Welche Bedeutung die Schriftzeichen hatten, konnte die Wissenschaft laut Svenja Bonmann von der Universität zu Köln aber lange nicht entziffern, weil für eine detaillierte Analyse zu wenige Texte gefunden wurden.

„Alle Versuche einer Entzifferung blieben bisher erfolglos.“

Eine kürzlich in der Almosi-Schlucht im Nordwesten Tadschikistans entdeckte Inschrift hat es den Linguisten um Bonmann laut ihrer Publikation im Fachmagazin Transactions of the Philological Society nun ermöglicht, die Schrift der Kuschana zu entschlüsseln.

Linguisten entschlüsseln Schriftzeichen

Der in eine Felsformation eingemeißelte Text enthält eine kompakte Passage in griechisch-baktrischer Sprache sowie einen Abschnitt mit den mysteriösen Kuschana-Glyphen. Die baktrische Schrift enthält sowohl den Königsnamen Vema Takhtu als auch den Titel „König der Könige“, die ebenfalls ein in den 1960er-Jahren in Afghanistan entdeckter, trilingualer Text enthält. Die Wissenschaftler konnten dadurch die entsprechenden Schriftzeichen der Kuschana erkennen und den umliegenden Schriftzeichen Buchstaben zuzuordnen.

20 Zeichen der Kuschana-Schrift entziffert

Insgesamt konnte das Team um Bonmann 15 Konsonanten, vier Vokale und zwei Ligaturen entschlüsseln, was rund 60 Prozent der bekannten Kuschana-Glyphen entspricht. Die Ähnlichkeiten in Schreibstil, Lauten und Symbolen führen die Forscher zu der Vermutung, dass die Kuschana-Schrift eine modifizierte Form der im altpersischen Achämenidenreich gebräuchlichen aramäischen Schrift sein könnte.

„Der oder die Schöpfer der neuentzifferten Schrift müssen die aramäische Schrift gekannt haben, wandelten sie aber durch ein neues System diakritischer Zeichen ab.“

Sprache des Kuschana-Imperiums

Darüber hinaus könnte das Forschungsteam eine weitere grundlegende Frage beantwortet haben: die Identifikation der Sprache, in der die Kuschana-Schrift verfasst wurde. Ihren Ergebnissen zufolge könnte es sich um eine bislang unentdeckte Version der in der Antike verwendeten mitteliranischen Sprachen handeln. Die Sprache, die vorläufig als "Eteo-Tocharisch“ bezeichnet wird, könnte neben Baktrisch, Sanskrit und Gandhari eine der Amtssprachen im Kuschana-Imperium gewesen sein.

„Die Sprache teilt mindestens eine phonologische Innovation mit dem Baktrischen und mit Mittelpersisch und ist lexikalisch dem Baktrischen ähnlicher als dem Khotansakischen.“

Transactions of the Philological Society, doi: 10.1111/1467-968X.12269

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