Spektakulärer Fund

Sternenkatalog des Hipparchos entdeckt

Dennis L.

Hipparchos gilt als Begründer der wissenschaftlichen Astronomie. Darstellung auf einem Astronomiebuch aus dem Jahr 1651. )noitcelloC emoclleW48252 oN VCI(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Erstmals Teile des Sternenkatalogs des Hipparchos entdeckt
  • Verblüffend Genauigkeit der Sternkoordinaten von bis zu einem Grad
  • Chancen stehen gut, weitere Teile des Himmelskatalogs zu finden

Forscher haben die Überreste eines lange gesuchten Sternenkatalogs gefunden - eine Himmelskarte des griechischen Astronomen Hipparchos aus der Zeit um 130 v. Chr. Erst eine Multispektralfotografie machte die abgekratzten und überschriebenen Textpassagen wieder sichtbar. Sie offenbaren, dass Hipparchus die Sternpositionen bereits auf ein Grad genau angab - weitaus präziser als sein Nachfolger Ptolemäus.

Paris (Frankreich). Der griechische Astronom und Mathematiker Hipparchos war der Erste, der eine Methode zur Beschreibung der Positionen von Sternen durch ein mathematisch-geometrisches Koordinatensystem entwickelte, welches auf geografischen Koordinaten basiert. Der Überlieferung nach soll Hipparchos um 130 v. Chr. den ersten umfassenden Sternkatalog der Antike erstellt haben.

Victor Gysembergh vom Forschungszentrum CNRS und seine Kollegen erklären die Besonderheit des frühzeitlichen Himmelskatalogs, der bislang als verschollen galt und von dem nur wenige Schriften berichten:

„Hipparchos Sternenkatalog ist in der Wissenschaftsgeschichte berühmt als der erste Versuch, exakte Koordinaten für viele mit dem bloßen Auge sichtbare Himmelskörper anzugeben.“

Der einzige Beleg für seine Sternkartierung sind Hinweise im Himmelskatalog des römischen Astronomen Claudius Ptolemäus, der 300 Jahre später veröffentlicht wurde. In der Einleitung seines Werks schreibt Ptolemäus, dass er die Sterndaten von Hipparchus übernommen hat, und nennt ihn den "größten Liebhaber der Wahrheit". Auch andere antike Quellen beschreiben Hipparchus als den ersten, der einen Sternenkatalog erstellte, oder zitieren Daten aus seinem Katalog.

Teile des Sternenkatalogs wurden im Katharinenkloster auf der Sinaihalbinsel gefunden

Gysembergh und seine Kollegen haben nun zum ersten Mal einen Teil des Sternenkatalogs von Hipparchus wiedergefunden. Sie entdeckten den altgriechischen Astronomietext bei der Analyse eines mittelalterlichen Manuskripts aus den Archiven des Katharinenklosters auf der Halbinsel Sinai. Vor etwa tausend Jahren kopierten dort Mönche des Klosters zahlreiche christliche Schriften aus dem Nahen Osten, darunter auch die 146 Blätter des so genannten Codex Climaci Rescriptus.

Das Spannende daran ist, dass diese mittelalterlichen Texte ein Palimpsest sind. Sie wurden nicht - wie damals oft üblich - auf neuem Pergament niedergeschrieben, sondern die Schrift wurde von älteren Pergamenten abgeschabt. So war es möglich, die verblassten alten Texte mit neuen zu überschreiben. Bereits 2012 war Forschern aufgefallen, dass auch der Codex Climaci Rescriptus Reste älterer Schriftzeichen enthält, dessen Inhalt aber bisher nicht zweifelsfrei zu lesen war.

Doch Multispektralbilder enthüllten die stark verblassten, abgeschliffenen Schriftzeichen in dem Prozess, bei dem die Manuskriptseiten mit Licht unterschiedlicher Wellenlänge und aus verschiedenen Winkeln beleuchtet und fotografiert wurden. Da die Tinte der Schriftzeichen je nach Alter und Beschaffenheit unterschiedliche Anteile der Strahlung absorbiert, werden die Kontraste verstärkt, und selbst stark verblasste Texte können wieder lesbar gemacht werden.

Positionsangaben für das Sternbild Nördliche Krone

Das Team analysierte multispektrale Bilder eines Textes, der im Rahmen des "Lazarus-Projekts" an der University of Rochester in New York entstanden war. Mehrere Folioseiten enthielten astronomische Texte, von denen die meisten aus der Spätantike stammten. Eine Seite des Kodex erwies sich jedoch als etwas Besonderes: Sie enthielt Informationen über die Position der Sterne im Sternbild der Nördlichen Krone.

Es war sofort klar, dass es sich um Sternkoordinaten handelte. Der griechische Text beschreibt die Längen- und Breitengrade des Sternbilds Corona Borealis und gibt Gradangaben für die Positionen der Sterne an. Aus den Positionen der beschriebenen Sterne und der Besonderheit der angegebenen Koordinaten schließen die Forscher, dass der Autor dieser Zeilen Hipparchus gewesen sein muss.

Bis auf ein Grad genaue Sternkoordinaten

Der unter dem mittelalterlichen Codex verborgene Text könnte somit das erste bekannte Überbleibsel des lange verschollenen Sternkatalogs von Hipparchus sein. Der neue Beweis bringt laut Gysembergh und seinen Kollegen einen bedeutenden Fortschritt bei der Rekonstruktion des Sternkatalogs von Hipparchus.

Die Auswertung und Überprüfung der astronomischen Texte zeigt, dass die Sternkoordinaten des griechischen Astronomen bereits auf ein Grad genau waren. „Eine solche Genauigkeit ist erstaunlich, denn man würde wesentlich größere Fehler erwarten", schreiben die Wissenschaftler im Journal for the History of Astronomy. „Der Katalog von Ptolemäus war offenbar wesentlich präziser als der von Hipparchos.“ Diese Präzision war einer der Gründe, warum zahlreiche spätere antike Autoren die Daten von Hipparchus zitierten.

Recht präzise Daten ohne die Verwendung von Teleskopen

So hatte bereits Hipparchus Sternkoordinaten in Äquatorialkoordinaten veröffentlicht - ähnlich den modernen Sternkatalogen und Programmen. Ptolemäus hingegen bezog seine Koordinaten auf die Ekliptik, den Himmelsäquator, der durch die Bahn der Sonne und die Tierkreiszeichen markiert wird. Als er die Sternpositionen von Hipparchus für Teile seines Almagest übernahm, rechnete er die Koordinaten um - was die Genauigkeit der Informationen verringerte und den Arbeitsaufwand erhöhte.

Es ist unklar, wie Hipparchus lange vor der Erfindung der Fernrohre eine so genaue Sternkarte erstellen konnte. Aufgrund der Verwendung von Äquatorialkoordinaten liegt es jedoch nahe, dass er eine Armillarsphäre mit einer Äquatorialskala verwendet haben könnte. Es ist jedoch auch denkbar, dass Hipparchus ein Dioptra verwendete, eine Art Peilscheibe für geodätische Messungen.

Hoffnung auf weitere Fragmente des Sternenkatalogs von Hipparchos

Gysembergh und sein Team hoffen, dass weitere Studien der Palimpseste weitere Teile des Sternkatalogs enthüllen und damit Hinweise auf die antike Astronomie liefern werden. Mehrere Blätter des Codex Climaci Rescriptus sind noch nicht entziffert worden. Es gibt über 100 weitere Palimpseste im Katharinenkloster, die noch nicht im Detail untersucht worden sind. Weitere Funde sind möglich.

Journal for the History of Astronomy; doi: 10.1177/0021828622112828

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