Robert Klatt
Eine neue Ausgrabung hat 119 weitere Schädel am Huei Tzompantli offenbart. Die Schädel von Feinden der Azteken dienten als Götteropfer und sollten Angreifer abschrecken.
Tenochtitlan (Mexiko). In Mittel- und Südamerika waren Tod und Opferrituale in den frühen Zivilisationen wichtige kulturelle Rituale. Bekannt sind unter anderem Totenrituale mit Menschenopfern, deren Schädelknochen dann als Schutz für die Seele verstorbener Babys und Kleinkinder genutzt wurden.
Bei den Azteken dienten Opferrituale außerdem als Machtdemonstration. Die Kultur errichtete deshalb im Großen Tempel ihrer Hauptstadt Tenochtitlan den Huei Tzompantli, einen Turm aus Totenschädeln. Die Archäologie konnte bei diesem Turm, der auf das Ende des 15. Jahrhunderts datiert wird, 484 Schädel finden.
Nun haben Wissenschaftler des Instituto Nacional de Antropología e Historia (INAH) bei weiteren Ausgrabungen an der Ostwand des Huei Tzompantli 119 zuvor unbekannte Schädel entdeckt, darunter auch Knochen von Frauen und Kindern. Insgesamt umfasst der bisher freigelegte Abschnitt des Turms mit seinen 4,50 Metern Durchmesser somit über 600 Schädel.
Alejandra Frausto, Kulturministerin von Mexiko: „Der Templo Mayor überrascht uns bei jedem Schritt. Der Huei Tzompantli ist zweifellos der eindrucksvollste archäologische Fund der letzten Jahre in unserem Land.“
Laut den Archäologen stammen die Schädel des Huei Tzompantli sehr wahrscheinlich von getöteten Feinden. Der Schädelturm diente den Azteken somit als abschreckendes Mahnmal für ihre Feinde, dass eventuellen Angreifern zeigen sollte, welches Schicksal ihnen droht.
Außerdem gehen die Forscher davon aus, dass der Schädelturm auch als Götteropfer diente. Dafür spricht, dass nicht nur Schädel von Männern, sondern auch Frauen und Kindern im Schädelturm vorhanden sind. Laut Barrera Rodriguez „konnten die Archäologen nicht eindeutig feststellen, wie viele dieser Individuen Krieger waren – möglicherweise stammen einige der Schädel von Gefangenen, die für Opferzeremonien gedacht waren.“
In der Kultur der Azteken waren Menschenopfer ein entscheidender Teil der Religion. Sie dienten als Mittel zur Besänftigung der Götter. Ein Menschenopfer konnte laut dem Aberglauben des Azteken somit das Leben vieler Menschen retten. Das INAH schreibt deshalb, dass „der Schädelturm in gewisser Weise daher eher ein Bauwerk des Lebens als des Todes war.“