Conny Zschage
Sie ist so etwas wie unsichtbarer Klebstoff: die Dunkle Materie. Sie hat eine Gravitationswirkung auf das gesamte Universum und dient dazu Sterne in ihren Galaxien festzuhalten. Ohne die Dunkle Materie würde das Universum in seiner jetzigen Form nicht existieren und das mystische Material macht rund 23% der Masse des Alls aus. Doch nun habe Forscher eine Galaxie analysiert, welche über erstaunlich wenig Dunkle Materie verfügt und so allen gängigen Theorien widerspricht.
New Haven, (U.S.A.). 2018 fanden Astronomen der Yale Universität bei Untersuchungen des Weltraums eine außergewöhnliche Galaxie: NGC 1052-DF2. Diese war nur etwa so groß wie die Milchstraße, beheimatete aber nur sehr wenige, teils ungewöhnlich angeordnete Sterne. Nach einer ausgiebigen Beobachtung der Sternenbewegungen und der geschätzten Entfernung von 65 Millionen Lichtjahren, schätzten die Forscher die Masse der Galaxie auf etwa 1 % im Vergleich zur Milchstraße.
Dies hätte allerdings bedeutet, dass kaum Dunkle Materie in der Galaxie vorhanden ist, was wiederum der weitverbreiteten und in wissenschaftlichen Kreisen akzeptieren Theorie widersprochen hätte, dass Dunkle Materie in einer Galaxie dominant vorkommt. 2019 wurde die Galaxie deshalb erneut untersucht. Diesmal kam ein Forscherteam auf eine Entfernung von nur 42 Millionen Lichtjahren, also ein ganzes Stück weniger als die 65 Millionen Lichtjahre bei der ersten Messung. Dadurch war die Dunkle Materie nun doch überwiegend vorhanden und das Rätsel war gelöst.
Doch die Astronomen, welche die erste Messung durchgeführt hatten, gaben sich damit nicht zufrieden. Also untersuchten sie NGC 1052-DF2, kurz DF2 erneut. Diesmal nutzen sie das periodische Aufleuchten eines Roten Riesen in der Galaxie zum Messen. Rote Riesen sind Sterne, welche mit dem ungefähr achtfachen Volumen der Sonne. Mithilfe des Hubble-Teleskops konnte der Roten Riese genauer untersucht werden, um so die tatsächliche Distanz zu ermitteln. Das Ergebnis: Die Galaxie ist 72 Millionen Lichtjahre weit entfernt. Dies bedeutet, dass sie über noch weniger Dunkle Materie verfügt als ursprünglich angenommen und damit tatsächlich gängigen Theorien widerspricht.
DF2 ist also genauso groß wie die Milchstraße, hat aber 200-mal weniger Sterne und einen Dunkle-Materie-Anteil von gerade einmal 0,25 % von dem, was sie haben sollte. Wie dies möglich ist, können Astronomen nur mutmaßen. In der Studie, welche das Forscherteam der Yale Universität in den The Astrophysical Journal Letters veröffentlichte, vermuten sie, dass es eine zweite Galaxie in der Nähe geben könnte, welche DF2 alle Dunkle Materie „herausgerissen“ haben könnte. Noch wurde diese Galaxie allerdings nicht gefunden. Das Fehlen der Dunklen Materie in DF2 bedeutet allerdings nicht, dass es sie nicht gibt. Vielmehr ist es ein weiterer Beweis dafür, dass es sie gibt und dass es noch viel zu erforschen gibt. Zukünftige Analysen von DF2 können weitere ungeahnte Einblicke in die detaillierte Funktionsweise von Galaxien geben.
The Astrophysical Journal Letters, doi: 10.3847/2041-8213/ac0335