Robert Klatt
Astronomen haben erstmals eine Galaxie mit drei supermassereichen Schwarzen Löchern in ihrem Zentrum entdeckt. Die Beobachtung erlaubt neue Rückschlüsse auf das Wachstum von Galaxien und könnte erklären, wie große Sternenansammlungen entstehen.
Göttingen (Deutschland). Die meisten Galaxien besitzen wie auch unsere Milchstraße ein einzelnes supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum. Wissenschaftler der University of Maryland haben laut eines im Fachmagazin Nature veröffentlichten Artikels herausgefunden, dass etwa 17 Prozent aller Galaxien in ihrem Zentrum zwei sich gegenseitig umkreisende supermassereiche Schwarze Löcher besitzen. Dieses Phänomen entsteht, wenn zwei Galaxien miteinander verschmelzen. Trios von zentralen Schwarzen Löchern wurden hingegen bisher nur bei Galaxien entdeckt, deren Verschmelzung sich noch in einer frühen Phase befand.
Wissenschaftler der Universität Göttingen haben nun erstmals ein Trio von supermassereichen Schwarzen Löchern im Zentrum der Galaxie NGC 6240 entdeckt, die sich in 300 Millionen Lichtjahren Entfernung von der Erde befindet. Es handelt sich bei der Galaxie NGC 6240 um eine irreguläre Sternenansammlung, deren Verschmelzung kurz vor ihrer Vollendung steht. Alte Aufnahmen im Röntgen- und Radiobereich zeigten bereits, dass zwei supermassereiche Schwarze Löcher die zwei aktiven Galaxienkerne von NGC 6240 bilden.
Neue Beobachtungen mit dem MUSE-Spektrografen des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der Atacamawüste im Norden Chiles haben nun ein drittes supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie gefunden. Der südliche Galaxienkern besteht nicht, wie ursprünglich angenommen, nur aus einem, sondern aus zwei supermassereichen Schwarzen Löchern, die sich so dicht beieinander befinden, dass sie auf bisherigen Aufnahmen als ein einzelnes supermassereiches Schwarzes Loch zu erkennen waren.
Laut des im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics veröffentlichten Artikels ist die enge Konzentration der drei Schwarzen Löcher eine zuvor nicht entdeckte Besonderheit. Alle Schwarzen Löcher der Galaxie NGC 6240 befinden sich in einem Raumareal von nur 3.000 Lichtjahren Ausdehnung, die beiden Schwarzen Löcher am südlichen Galaxienkern trennen sogar nur 645 Lichtjahre voneinander. Peter Weilbacher, Co-Autor des Papers vom Leibniz-Institut für Astrophysik erklärt, dass „eine derartige Konzentration von drei supermassereichen Schwarzen Löchern im Universum bisher noch nie entdeckt wurde.“
Die Forscher vermuten, dass sich die Schwarzen Löcher in den nächsten Millionen Jahren weiter aufeinander zubewegen werden. Dadurch die Wechselwirkung der Schwerkraftgiganten werden dann Gravitationswellen entstehen, während die drei Schwarzen Löcher verschmelzen. Laut den Autoren ist die Entdeckung von hoher Wichtigkeit für die Forschung, weil sie neue Rückschlüsse auf das Wachstum von Galaxien ermöglicht und erklären könnte, wie große Sternenansammlungen entstehen. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass Galaxien wie zum Beispiel die Andromedagalaxie, die in zwei Akkretionsepochen Nachbargalaxien geschluckt hat, dadurch wachsen, indem sie kleinere Galaxien aufnehmen.
Gegen diese Theorie spricht jedoch, dass es bereits im frühen Kosmos gigantische Galaxien gab, die nicht durch diesen sehr langwierigen Entstehungsprozess entstanden sein konnten. Wie Weilbacher erklärt „konnten sich die größten Galaxien mit ihren zentralen supermassereichen Schwarzen Löcher wesentlich schneller entwickeln, wenn es jedoch auch zu simultanen Verschmelzungsprozessen mehrerer Galaxien kam.“ Die aktuelle Beobachtung der Galaxie NGC 6240 ist ein erstes Indiz dafür, dass diese alternative Vermutung richtig ist.
Astronomy & Astrophysics, doi: doi: 10.1051/0004-6361/201936540