Robert Klatt
Eine neue Messung hat die Temperatur im frühen Universum 880 Millionen Jahre nach dem Urknall ermittelt. Die Ergebnisse bringen neue Erkenntnisse zur Dunklen Energie und zur Expansion des Universums.
Köln (Deutschland). Das junge Universum kühlte etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall so weit ab, dass Atome entstanden sind und sich Strahlung ausbreiten konnte. Dies führte zum ersten Licht, das später durch die Ausdehnung des Kosmos zur Mikrowellenstrahlung wurde. Diese existiert noch heute als kosmischer Mikrowellenhintergrund und liefert der Astronomie Daten über den Aufbau und die Prozesse des jungen Universums.
Eine der zentralen Fragen ist dabei das Tempo, mit dem das Universum in seiner Frühzeit expandiert ist. Mithilfe dieser Information könnte die Forschung überprüfen, ob die kosmologischen Modelle korrekt sind. Angetrieben wird die kosmische Expansion noch immer durch die Dunkle Energie. Ob diese immer gleich bleibt und wie sie wirkt, ist aber noch unbekannt.
„Wenn es irgendwelche Abweichungen von den erwarteten Trends gibt, könnte das Rückschlüsse auf die Natur der schwer fassbaren Dunklen Energie erlauben“, erklärt Dominik Riechers von der Universität Köln.
Relevant ist hier auch die Hintergrundstrahlung, denn die Abkühlung des Mikrowellenhintergrunds und die Expansion des Universums stehen in einer linearen Beziehung. Temperaturmessungen, die kurz nachdem Freiwerden der Strahlung erfolgen, ermöglichen es zu ermitteln, wie schnell die Expansion des Kosmos war. Wissenschaftler der Universität Köln und des Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) haben nun die Temperatur der Hintergrundstrahlung zum bislang frühsten Zeitpunkt bestimmt.
Als kosmisches Thermometer diente den Wissenschaftlern das Northern Extended Millimeter Array (NOEMA), eines der leistungsstärksten Radioteleskope. Sie beobachteten mit dem Instrument eine kalte Wasserdampfwolke in der Galaxie HFLS3 in etwa 13 Milliarden Lichtjahre Entfernung zur Erde. Diese Wolke erzeugt eine Art Schatten auf der Hintergrundstrahlung, der im Licht der Strahlung Absorptionslinien erzeugt. Anhand dieser Spektrallinien lässt sich die Energie der Hintergrundstrahlung und damit ihre Temperatur 880 Millionen Jahre nach dem Urknall ermitteln.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature ergab die Messung, dass die kosmische Hintergrundstrahlung im jungen Universum eine Temperatur von 16,4 bis 30,2 Kelvin hatte. Dies stimmt mit den kosmologischen Modellen überein, laut denen 880 Millionen Jahre nach dem Urknall eine Temperatur von 20 Kelvin herrscht. Die Strahlung hat sich somit seit ihrer Freisetzung um den Faktor 1.000 abgekühlt. Sie war aber noch deutlich heißer als die aktuellen 2,728 Kelvin.
„Das ist ein wichtiger Meilenstein, der nicht nur den erwarteten Abkühlungstrend für eine viel frühere Epoche als bisher möglich bestätigt, sondern auch direkte Auswirkungen auf die Natur der schwer fassbaren Dunklen Energie haben könnte. Wir sehen ein expandierendes Universum, in dem sich die Dichte der Dunklen Energie nicht ändert“, erklärt Axel Weiß vom MPIA.
Die Studie widerlegt außerdem eine Hypothese zur Dunklen Energie. Diese sagt aus, dass die Dunkle Energie mit der Zeit zerfällt und dabei teilweise Energie auf die Strahlung und die normale Materie des Universums überträgt. Wenn dies so wäre, müsste der Prozess die Abkühlung der kosmischen Hintergrundstrahlung signifikant verlangsamen. Die nun gemessenen Temperaturen entsprechen jedoch dem klassischen Modell und widersprechen somit der Hypothese.
Nature, doi: 10.1038/s41586-021-04294-5