Robert Klatt
Astronomen haben erstmals ein supermassereiches Schwarzes Loch mit zwei gegen rotierenden Gasringen entdeckt. Die neue Entdeckung könnte auch das schnelle Wachstum von supermassereichen Schwarzen Löchern erklären, weil die noch folgende Kollision der Gasringe neues Futter dafür erzeugt.
Charlottesville (U.S.A.). Im Zentrum der Milchstraße und in den meisten anderen bekannten Galaxien befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch, das wie zum Beispiel Sagittarius A* von sich schnell drehenden Gasringen umgeben ist. In der Astronomie wurde bisher angenommen, dass die Bewegungsrichtung der Materie dieser Akkretionsscheiben der Drehrichtung des Schwarzen Lochs entspricht. Eine Beobachtung des zur University of Virginia gehörenden National Radio Astronomy Observatory (NRAO) hat diese Theorie nun widerlegt.
Laut des im The Astrophysical Journal publizierten Papers haben die Wissenschaftler die überraschende Entdeckung bei einer Beobachtung der 47 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie NGC 1068 mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile in gemacht.
Es zeigte sich dabei, dass das supermassereiche Schwarzes Loch im Mittelpunkt der Galaxie von einem schnellen Gasring umgeben ist. Außerdem wurde auf den Aufnahmen des Teleskops noch ein unerwarteter zweiter Gasring festgehalten, der sich entgegen der Drehrichtung der Schwarzen Lochs und des anderen Gasrings bewegt. Der innere Gasring, dessen Drehrichtung identisch mit der Galaxie ist, hat eine Breite von zwei bis vier Lichtjahren. Der äußere Ring, mit der Drehrichtung entgegen der Rotation der Galaxie, hat eine Breite zwischen vier und 22 Lichtjahren.
Violette Impellizzeri, Autorin des Artikels erklärt, dass „die Astronomen dies nicht erwartet haben, weil Gas, das in ein Schwarzes Loch fällt, normalerweise nur in eine einzige Richtung rotiert.“ Laut den Astronomen muss deshalb irgendwas diesen Strom gestört haben. Das ein Gasring sich völlig von alleine entgegen dem Schwarzen Loch und seiner gigantischen Gravitation bewegt, halten die Forscher für unmöglich.
Wie Jack Gallimore, Co-Autor erklärt, sind solche Gegenrotationen bisher nur aus Außenbereichen von Galaxien bekannt. Sie werden dort üblicherweise durch die Kollision zweier Galaxien oder deren Wechselwirkungen ausgelöst. Der Gegenstrom nahe des Schwarzen Lochs muss deshalb laut den Studienautoren ebenfalls durch einen externen Störfaktor ausgelöst worden sein. Vermutlich bildete sich der Gasring aus Materie, die das Schwarze Loch erst anzogen hatte, als der erste Gasring bereits bestand.
Laut Impellizzeri „könnte es sich um eine Gaswolke aus der Wirtsgalaxie oder um eine eingefangene Zwerggalaxie handeln.“ Der ständige Zufluss von Material würde bei dieser Theorie auch erklären, wieso der Gasring die Gegenrotation bisher beibehalten konnte.
Langfristig wird dieses ungewöhnliche Phänomen laut den Astronomen jedoch nicht bestehen, weil die Gravitation des Schwarzen Lochs den gegen rotierenden Gasring immer weiter nach innen zieht und dann zerstören wird. Gallimore erklärt, dass „dies bereits nach einigen Orbits oder aber erst in einigen hunderttausend Jahren passieren wird.“ Bei der unvermeidlichen Kollision der gegenrotierenden Gasringe wird sehr wahrscheinlich ein Strahlenausbruch folgen, auf den anschließend das Schwarze Loch die Überreste verschlingt.
Die Beobachtung der beiden gegen rotierenden Gasringe und die anstehende Kollision könnten laut den Wissenschaftler erklären, wieso supermassereiche Schwarze Löcher so schnell wachsen, weil die dafür nötige Materie aus der Kollision der beiden Ringe entstehen würde. Wie Impellizzeri erklärt „sind gegen rotierende Gasströme instabil was bedeutet, dass ihre Materie schneller ins Schwarze Loch fällt als bei einer Materiescheibe mit nur einer Rotationsrichtung.“
The Astrophysical Journal, doi: 10.3847/2041-8213/ab3c64