Robert Klatt
Dank einer neuen Methode haben Astronomen ein gigantisches Schwarzes Loch mit 33 Milliarden Sonnenmassen entdeckt.
Durham (England). Schwarze Löcher gehören im Universum zu den Objekten mit der größten Masse. Die Astronomie unterteilt sie in unterschiedliche Größenklassen, von denen supermassereiche (supermassive) Schwarze Löcher am größten sind. Ein Beispiel für ein solches supermassives Schwarzes Loch ist Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße, das von einem kühlen Ring aus Wasserstoff umgeben ist. Innerhalb der supermassereichen Schwarzen Löcher ist Sagittarius A* mit etwa vier Millionen Sonnenmassen aber eher klein.
Das supermassivste Schwarze Loch ist mit 70 Milliarden Sonnenmassen der Quasar TON 618 in etwa 18,2 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Innerhalb der Klasse supermassereichen Schwarzen Löcher befindet sich TON 618 damit in der Oberklasse der ultramassereichen Schwarzen Löcher, die erst vor fünf Jahren etabliert wurde. Die Klasse beinhaltet Schwarze Löcher mit mindestens zehn Milliarden Sonnenmassen. Bekannt sind davon bisher aber nur sehr wenige.
Wissenschaftler der Durham University haben nun ein weiteres ultramassereiches Schwarzes Loch entdeckt. Laut ihrer Publikation in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society ist das neuentdeckte Schwarze Loch mit 33 Milliarden Sonnenmassen das drittschwerste bekannte. Der Ausgangspunkt war die zentrale Galaxie des Galaxienclusters Abell 1201 im 2,7 Milliarden Lichtjahren Entfernung.
Das Team um James Nightingale nutzte den Gravitationslinseneffekt, dem eine nahegelegene Galaxie als gigantisches Vergrößerungsglas agiert. Abell 1201 fiel bereits seit geraumer Zeit durch eine besondere Eigenschaft auf: Sobald sie sich vor einem Hintergrundobjekt bewegt, intensiviert sich der Gravitationslinseneffekt in ungewöhnlichem Maße, und zwar weit stärker, als es die sichtbare Größe, Anzahl der Sterne und Dunkle Materie dieser Galaxie vermuten ließen.
Frühere astronomische Beobachtungen wiesen darauf hin, dass Abell 1201 das Licht entfernter Hintergrundobjekte um nahezu 2.000 Lichtjahre ablenkt und in einem verzerrten Lichtbogen formt. Im Jahr 2017 stießen Wissenschaftler auf einen weiteren, kleineren Lichtbogen auf der entgegengesetzten Seite. Die Position und Gestalt dieses Bogens deuteten auf das Vorhandensein einer unsichtbaren, massereichen Struktur im Zentrum der Galaxie hin.
Bereits zu jener Zeit hegten Forscher den Verdacht, dass das verborgene Schwergewicht möglicherweise ein inaktives Schwarzes Loch sei. Die meisten der der Astronomie bekannten größten Schwarzen Löcher befinden sich jedoch in einem aktiven Zustand. In solch einem Zustand erwärmt sich die Materie, die in die Nähe des Schwarzen Lochs gezogen wird, und setzt Energie in Form von Licht, Röntgenstrahlen und anderer Strahlung frei, was ihre Beobachtung erleichtert.
Um mehr über diese kosmischen Giganten zu erfahren, analysierte Nightingale und sein Team zuerst neue Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops, die diese Galaxie und ihren Gravitationslinseneffekt abbildeten. Anschließend verwendeten sie astrophysikalische Simulationen auf den Supercomputern in Durham, um die Größe des Schwarzen Lochs zu bestimmen, die notwendig wäre, um die beobachteten Verzerrungen hervorzurufen. Ein Vergleich der Daten ergab ein ultramassereiches Schwarzes Loch mit 33,28 Milliarden Sonnenmassen.
„Dies ist eine extrem spannende Entdeckung, denn dieses Schwarze Loch ist damit eines der größten jemals entdeckten. Es liegt schon nahe an der theoretisch vorhergesagten Massenobergrenze für Schwarze Löcher.“
Neben der eigentlichen Entdeckung des drittschwersten Schwarzen Lochs betont Nightingale auch den großen methodischen Fortschritt, den die erste Entdeckung einer Schwarzen Lochs mittels Gravitationslinsen bringt. Es können dadurch auch in fernen Galaxien inaktive Schwarze Löcher entdeckt werden.
„Dieser Ansatz könnte es uns ermöglichen, viel mehr Schwarze Löcher außerhalb unseres lokalen Universums zu entdecken – und aufzudecken, wie sich diese exotischen Objekte weiter zurück in der kosmischen Zeit entwickelt haben.“
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, doi: 10.1093/mnras/stad587