Robert Klatt
Die kosmische Expansion läuft laut neuen Messungen mit dem James-Web-Teleskop (JWST) deutlich schneller ab, als die im kosmologischen Standardmodell enthaltene Hubble-Konstante vorsieht.
Baltimore (U.S.A.). Die komische Expansion sorgt dafür, dass sich das Universum seit dem Urknall ausdehnt. Die Astronomie hat in den 1990er-Jahren entdeckt, dass dieser Prozess stetig schneller abläuft. Die Geschwindigkeit der kosmischen Expansion wird als Hubble-Konstante bezeichnet und ist entscheidend für das kosmologische Standardmodell. Laut dem aktuellen Standardmodell liegt die Hubble-Konstante bei 67 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec.
Es existieren jedoch abweichende Messungen, laut denen die Expansionsrate des Kosmos bei 73 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec liegt. Wissenschaftler der Johns Hopkins University (JHU) haben anhand von Daten des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) nun neue Daten zur kosmischen Expansion erlangt.
„Die Fähigkeiten des Webb-Teleskops bieten uns die Möglichkeit, zusätzliche Überprüfungen durchzuführen, indem wir die mit ihm gemessenen Entfernungen mit denen des Hubble-Teleskops vergleichen.“
Laut der Publikation im The Astrophysical Journal umfassen die Daten des Hubble-Weltraumteleskops (HST) die Entfernungen hunderten Cepheiden und 42 Supernovae in 37 Galaxien. Die neueren Messdaten des JWST aus den vergangenen zwei Jahren beinhalten die Entfernungen von 16 Supernovae sowie zahlreichen Roten Riesen, Cepheiden und kohlenstoffreichen Riesensternen, die als besonders gute Entfernungsmarker gelten.
„Die Webb-Daten verbessern das Signal-zu-Rausch-Verhältnis erheblich und zeigen uns das Universum gewissermaßen in HD.“
Die Analyse der kosmischen Entfernungsmarker aus den Messungen des JWST zeigen, dass die Hubble-Konstanten zwischen 72,1 und 73,4 liegt.
„Das für alle Methoden zusammenfasste Ergebnis des James-Webb-Teleskops liegt damit bei 72,6 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec.“
Frühere Messungen mit HST kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Es ist somit bestätigt, dass die Abweichungen zum Standardmodell nicht durch technische Probleme oder Messunsicherheiten des Hubble-Teleskops entstanden sind.
„Die Diskrepanz zwischen der beobachteten Expansionsrate des Universums und den Vorhersagen des Standardmodells deutet darauf hin, dass unser Verständnis des Universums unvollständig sein könnte. Mit zwei NASA-Flaggschiff-Teleskopen, die ihre Resultate gegenseitig bestätigen, müssen wir das Problem der Abweichungen in der Hubble-Konstante sehr ernst nehmen – es ist eine Herausforderung, aber auch eine unglaubliche Chance, mehr über unser Universum zu lernen.“
Die Wissenschaftler konnten bisher noch keine Erklärung dafür finden, dass die reale kosmische Expansion deutlich schneller abläuft, als im Standardmodell vorgesehen ist.
„Eine mögliche Erklärung für die Hubble-Spannung wäre, dass in unserem Verständnis des frühen Universums etwas fehlt, beispielsweise eine neue Komponente, die dem Universum nach dem Urknall einen unerwarteten Impuls gegeben hat.“
Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass die Dunkle Energie, eine bisher hypothetische Form der Energie, die der Gravitation entgegenwirkt, heute stärker ist als im frühen Universum. Messungen des Dark Energy Survey (DES) haben bereits Indizien geliefert, die diese Theorie stützen.
„Es gibt aber auch andere Ideen, wie noch unerkannte Eigenschaften der Dunklen Materie, exotische Teilchen, sich ändernde Elektronenmassen oder primordiale Magnetfelder, die das Problem lösen könnten. Theoretiker können hier sehr kreativ sein.“
The Astrophysical Journal, doi: 10.3847/1538-4357/ad8c21