Robert Klatt
Langzeitmissionen im Weltraum führen zu anhaltenden Schäden im Gehirn. Verantwortlich dafür ist sehr wahrscheinlich die Schwerelosigkeit, die den Abfluss von venösem Blut aus dem Kopf stört.
München (Deutschland). Es ist seit Langem bekannt, dass Langzeitmissionen im Weltraum Muskel- und Knochenschwund führen. Laut einer Studie der University of Calgary baut das Skelett bei einem sechsmonatigen Aufenthalt im Weltraum so stark ab wie in 20 Jahren auf der Erde. Nun haben Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) belegt, dass Langzeitmissionen auch zu Schäden im Gehirn führen. Zuvor lieferten Hirnscans von Astronauten zwar bereits Hinweise darauf, einen eindeutigen Beleg hat die Wissenschaft aber erst jetzt erbraucht.
Laut der Publikation im Fachmagazin JAMA Neurology untersuchten die Forscher für ihre Studie gemeinsam mit Wissenschaftlern der schwedischen Universität Göteborg und russischen Wissenschaftlern mithilfe von hochmodernen Bluttests die Gehirnstruktur von Astronauten vor und nach ihrem Aufenthalt im Weltraum. Im Mittel hielten sich die fünf Probanden 169 Tage auf der internationalen Raumstation (ISS) auf.
„Insgesamt deuten unsere Ergebnisse auf eine leichtgradige, aber anhaltende Hirnverletzung und einen beschleunigten Alterungsprozess des Gehirns bei Rückkehr zur Erde hin“, erklärt Peter zu Eulenburg. Betroffen sind dabei alle bedeutenden Gewebsarten des Gehirns.
Außerdem existieren klinischer Hinweis, wie die Veränderungen des Sehvermögens, die dafürsprechen, dass Langzeitmissionen im Weltraum neurologische Folgen für den Menschen haben. Studien konnten überdies Nachweise dafür erbringen, dass für Alterungsprozesse und Verletzungen des Gehirns maßgeblich verantwortliche Proteine nach der Rückkehr auf die Erde bei Astronauten in einer sehr hohen Konzentration vorhanden sind.
Ausgelöst werden die neurologischen Folgen sehr wahrscheinlich, weil aufgrund der fehlenden Gravitation das venöse Blut aus dem Kopf schlechter abfließt. Dies könnte langfristig zu einem Druckanstieg im Nervenwasser führen. Die Mediziner sind deshalb der Ansicht, dass vor einer bemannten Mission zum Mars zwingend weitere Studien abgewartet werden müssen, dessen Ergebnisse zur Entwicklung vorbeugender Maßnahmen dienen sollen.
JAMA Neurology, doi: 10.1001/jamaneurol.2021.3589