Robert Klatt
Zwei Lücken in der Milchstraße wurden sehr wahrscheinlich durch große Ansammlungen Dunkler Materie erzeugt, die etwa 100 Millionen Sonnenmassen schwer sind. Entstanden sind diese Klumpen als die Milchstraße kleinere Galaxien geschluckt und dabei zerrissen hat.
Cambridge (U.S.A.). Obwohl im Universum etwa viermal so viel Dunkle Materie wie normale Materie vorhanden ist, ist weder bekannt wie genau sie verteilt ist noch aus welchen Teilchen sie sich zusammensetzt. Einzig darüber, dass Dunkle Materie praktisch überall vorkommt, also auch in unserer Galaxie der Milchstraße, gilt als erwiesen. Da Dunkle Materie nur durch ihre Gravitation mit normaler Materie interagiert und ansonsten unsichtbar ist und der direkte Nachweis somit nicht möglich ist, sind sich Astronomen uneinig darüber, wie diese Materieform in der Milchstraße verteilt ist.
Wissenschaftler des Harvard Smithsonian Center for Astrophysics haben nun laut einem Artikel des Fachmagazins American Physical Society Indizien gefunden, die die Verteilung von Dunkler Materie in der Milchstraße belegen könnten. Als Basis der Studie dienen Daten des Gaia-Satelliten mit denen die bisher detaillierteste Karte über die Sternenverteilung der Milchstraße erstellt wurde. Neben der Position der Sterne zeigen die Aufzeichnungen des Satelliten auch deren Bewegung, was die Sternenströme innerhalb der Galaxie verdeutlicht.
Die Annahme der Wissenschaftler war, dass „Dunkle Materie nicht gleichmäßig verteilt auftritt, sondern Klumpen in der Galaxie bildet, die sich durch Sternenlücken verraten.“ Da die Anziehungskraft der Dunklen Materie die Bewegung der Sterne beeinflusst, würde eine ausreichend große konzentrierte Ansammlung dafür sorgen, dass die ansonsten geordnete Struktur der Sternenströme zerstört wird.
Die Analyse der Daten ergab, dass im längsten Sternenstrom der Milchstraße Halo, GD-1 zwei Lücken vorhanden sind, die sehr wahrscheinlich von Dunkler Materie verursacht wurden. Ana Bonaca, Leiterin der Studie erklärt, dass „die Sternendichte im Strom ist nicht gleichförmig ist, sondern zwei signifikant weniger dichte Bereiche oder Lücken auftreten, die bei 40° und 20° liegen.“
Anhand eines Modells untersuchten die Wissenschaftler daraufhin, welche Objekte für diese Lücken verantwortlich seien könnten. Die Berechnungen zeigten, dass nur ein sehr massereiches Objekt mit etwa 100 Millionen Sonnenmassen genügend Gravitation erzeugt, um die beobachteten Lücken im Sternenstrom zu verursachen. Da orbitale Rekonstruktionen ergaben, dass die Lücken nicht durch bekannte Sternenhaufen oder Zwerggalaxien verursacht worden seien konnten und auch eine molekulare Wolke aus der Milchstraße als Ursache auszuschließen ist, bleibt laut den Wissenschaftlern als einzige Möglichkeit nur ein dunkles Objekt übrig, das die Bahn des Sternenstroms verändert hat.
Laut den Wissenschaftlern könnte es sich dabei womöglich um ein primordiales Schwarzes Loch gehandelt haben, das vor etwa 500 Millionen Jahren auf 50 Lichtjahre an den Sternenstrom GD-1 herangekommen ist. Als wahrscheinlichere Alternative war jedoch eine Ansammlung Dunkler Materie in Form eines Subhalos für die Störung des Sternenstroms verantwortlich. Subhalos bilden sich als Überreste kleiner Galaxien, wenn diese von der Milchstraße aufsaugt und zerrissen werden.
Laut den Berechnungen hat der Störer von GD-1 einen Radius von etwa 65 Millionen Lichtjahren. Dies widerspricht jedoch Modellen der Kalten Dunklen Materie, die davon ausgehen, dass ein Subhalo mit der erforderlichen Masse einen Radius von etwa 160 Lichtjahren haben müsste. Das verantwortliche Störobjekt ist damit wesentlicher dichter, als durch die aktuell in der Astronomie genutzten Modelle angenommen. Trotzdem gehen die Autoren der Studie davon aus, dass ein Subhalo die wahrscheinlichste Erklärung für die zwei beobachteten Lücken ist.