Robert Klatt
Messdaten des Weltraumteleskops Gaia zeigen, dass die Milchstraße deutlich weniger dunkle Materie enthält, als bisher angenommen wurde. Die Masse der Galaxie liegt deshalb bei nur 200 Milliarden Sonnenmassen statt 1,5 Billionen.
Paris (Frankreich). Das Weltraumteleskop Gaia der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) kartiert den gesamten Himmel hochgenau dreidimensional. Bisher konnte die Raumsonde etwa ein Prozent der Milchstraße astrometrisch, photometrisch und spektroskopisch mit zuvor nicht erreichter Genauigkeit erfassen. Dabei wurde neben der dreidimensionalen Position auch die Bewegungsrichtung der Objekte beobachtet.
Forscher des Observatoire de Paris haben auf Basis von Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops nun eine Studie publiziert, laut der unsere Heimatgalaxie deutlich weniger dunkle Materie enthält, als die Astronomie bisher angenommen hat.
Laut der Publikation im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics hat die Galaxie lediglich eine Masse von 200 Milliarden Sonnenmassen statt den bisher angenommenen 1,5 Billionen Sonnenmassen. Davon entfallen laut den aktuellen Kenntnissen der Wissenschaft etwa 60 Milliarden Sonnenmassen auf herkömmliche Materie. Die verbleibende Masse besteht aus dunkler Materie. Bisher ging man davon aus, dass es etwa sechsmal so viel dunkle sichtbare Materie in der Milchstraße gibt.
Die Astronomen erklären zudem, dass sie im dritten Datensatz des Weltraumteleskops Gaia im Kugelsternhaufen Omega Centauri, dem mit Abstand massereichste Kugelsternhaufen der Milchstraße, eine halbe Million neuer Sterne sowie 381 mögliche Gravitationslinsen entdeckt haben. Überdies konnten sie den größten Datensatz von roten Riesensternen erstellen und die Umlaufbahnen von 150.000 Asteroiden vermessen.
Der dritte Datensatz von Gaia ermöglichte außerdem die bislang genauste Rekonstruktion einer Rotationskurve, die die Zusammenhang zwischen der Bahngeschwindigkeit ihrer Sterne und deren Abstand vom Zentrum der Galaxie zeigt, für eine Spiralgalaxie. Diese Kurven sind in der Regel flach. Der aktuelle Datensatz weicht davon aber ab, was belegt, dass mit zunehmendem Abstand zum Zentrum der Milchstraße die Rotationsgeschwindigkeit de Sterne sinkt.
Die beobachteten Planeten halten sich zwar an das dritte Kepler'sche Gesetz, laut dem die Umlaufzeiten von zwei Planeten im Quadrat zum Verhältnis der dritten Potenzen ihrer großen Halbachsen stehen, agieren aber anders als Sterne in fremden Galaxien, wo bisher keine Abnahme der Bahngeschwindigkeit beobachtet wurde.
Insgesamt deuten die Studiendaten daraufhin, dass die Milchstraße sich signifikant von anderen Galaxien unterscheidet. Laut den Forscher konnte dies an der friedlichen Vergangenheit der Galaxie liegen. Der letzte signifikante Zusammenstoß mit einer anderen Galaxie liegt bei der Milchstraße weiter in der Vergangenheit als bei anderen.
Astronomy & Astrophysics, doi: 10.1051/0004-6361/202347513