Himmelsatlas EDR3

Milchstraße hat deutlich weniger Satellitengalaxien als angenommen

Dennis L.

Bei der bisher präzisesten Erstellung eines Himmelsatlas haben Astronomen herausgefunden, dass unsere Milchstraße wesentlich weniger Satellitengalaxien besitzt als man bisher angenommen hat. Dadurch könnten ihre Bahnen auch ohne das Vorkommen Dunkler Materie erklärt werden. )ASE(Foto: © 

Derzeitige astronomische Beobachtungen zeigen, dass es eine große Anzahl von Zwerggalaxien in der Nachbarschaft der Milchstraße gibt. Eine gründliche Analyse ihrer Bahnen hat jedoch zu einer unerwarteten Enthüllung geführt.

Paris (Frankreich). Wissenschaftler haben entdeckt, dass Dutzende von Zwerggalaxien, die bisher für Satelliten unserer Milchstraße gehalten wurden, in Wirklichkeit Neuankömmlinge in der Galaxie sind. Eine Gruppe unter der Leitung von François Hammer vom Pariser Observatorium hat die Bewegungen von vierzig Zwerggalaxien ausgewertet, von denen man annahm, dass sie Satelliten der Milchstraße sind. Doch dafür bewegen sie sich viel zu schnell, erklärt das Team jetzt. Für die meisten von ihnen folgt daraus, dass sie sich nicht in einer Umlaufbahn um die Milchstraße befinden. Das verändert unser gesamtes Bild von der Nachbarschaft unserer Heimatgalaxie und auch zum Vorkommen möglicher Dunkler Materie.

Kaum bis gar keine Dunkle Materie nötig

Bisher ging man davon aus, dass die untersuchten Zwerggalaxien die Milchstraße umkreisen, doch dazu müssten sie massereicher sein, als es den Anschein hat. Denn die Milchstraße ist so groß und massereich, dass sich nähernde Zwerggalaxien normalerweise schon nach ein oder zwei Umläufen auseinanderbrechen müssten. Um ihre scheinbare Umlaufbahn zu erklären, wurde angenommen, dass die Zwerggalaxien von dunkler Materie dominiert werden, was sie massereicher macht. Wenn sie aber gar nicht von der Milchstraße eingefangen wurden, sondern sich zu schnell bewegen, als dass dies im kosmologischen Standardmodell möglich wäre, wäre keine dunkle Materie nötig, um ihre Umlaufbahn zu erklären, heißt es in einer im Astrophysical Journal veröffentlichten Arbeit.

Die Forscher können nicht im Detail vorhersagen, was mit den auf diese Weise untersuchten Zwerggalaxien geschehen wird. Dazu müssten wir die Masse unserer eigenen Galaxie genauer kennen, als wir es derzeit tun. Unsere Heimatgalaxie hat bereits vor etwa acht bis zehn Milliarden Jahren eine Zwerggalaxie namens Gaia-Enceladus verschluckt, deren Sterne in den Gaia-Daten identifiziert werden können. Die Zwerggalaxie Sagittarius wurde später nur vor etwa vier bis fünf Milliarden Jahren eingefangen und würde gerade assimiliert, schreiben Forscher und Forscherinnen der ESA. Einigen der Zwerggalaxien, die jetzt erforscht werden, wird es ähnlich ergehen, andere werden zu Satelliten und wieder andere werden einfach an der Milchstraße vorbeiziehen.

Himmelsatlas Gaia Early Data Release 3 (EDR3)

Mit der Bestätigung, dass es deutlich weniger Satelliten gibt als bisher angenommen, stellt das bahnbrechende Weltraumteleskop Gaia einmal mehr seine Fähigkeiten unter Beweis. Die Entdeckung basiert auf dem vor einem Jahr veröffentlichten Gaia Early Data Release 3 (EDR3), dem bei weitem präzisesten Atlas der Milchstraße und darüber hinaus. Er enthält Messungen von mehr als 1,8 Milliarden Himmelskörpern. Gaia wurde 2013 gestartet und scannt den Nachthimmel kontinuierlich mit einer Gigapixelkamera. Mithilfe der Parallaxenmessung kann sie die Position unzähliger Sterne auf ihrer Bahn um die Sonne und im Laufe der Zeit ihre relative Bewegung genau bestimmen.

Quelle: Astrophysical Journal; doi: 10.3847/1538-4357/ac27a8

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