Robert Klatt
Eine neue Karte zeigt die Positionen und Merkmale von 4,4 Millionen Radiostrahlen aussendenden Objekten. Die Erhebung der Daten mit dem Radioteleskopverbund LOFAR hat rund sieben Jahre gebraucht.
Durham (England). Die Astronomie benötigt möglichst genaue Karten des Universums, um die astrophysikalischen und kosmischen Vorgänge besser verstehen zu können. Bei der Kartierung des Himmels unterscheidet man zwischen optischen Sternenkatalogen, die etwa die Gaia-Satelliten aufzeichnen und die primär die Verteilung und Bewegungen von Sternen in der Milchstraße zeigen und Aufnahmen im Gammastrahlen-, Röntgen– oder Radio-Wellenbereich, die auch von Staub verdeckte Objekte und Prozesse sichtbar machen.
Wissenschaftler der Durham University haben nun eine der umfangreichsten Karten im Radio-Wellenbereich erstellt. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics nutzten sie dazu Aufzeichnungen des Zwei-Meter-Survey des Radioteleskopverbunds LOFAR. Dieses über ganz Europa verteilte System aus miteinander vernetzten Radioteleskopen tastete in den letzten sieben Jahren ein Viertel des nördlichen Himmels ab. In den etwa 3.500 Beobachtungsstunden wurden rund acht Petabyte an Daten erhoben, die als Basis der nun veröffentlichten Karte dienen.
Insgesamt enthält die neue Karte die Positionen und Merkmale von 4,4 Millionen Objekte, die Radiostrahlung aussenden. Etwa eine Million dieser Objekte wurde zuvor noch nie von einem Teleskop erfasst. Von einem Großteil der restlichen Galaxien enthält die Karte zudem die ersten Radiodaten.
Erfasst wurden unter anderem frühe Galaxien mit starker Sternbildung, ferne Galaxien mit aktiven Schwarzen Löchern in deren Zentrum sowie Pulsare und andere Sterne, die im Radiobereich aktiv sind. Zudem enthält die Karte Sternenreste innerhalb der Milchstraße. Laut den Astronomen können die neuen Daten dabei helfen, den Ursprung energiereicher Phänomene wie der kosmischen Radioblitze zu klären.
Überdies enthält die Karte den bisher größten Datensatz zu kollidierenden Galaxienclustern. Deren Wechselwirkung könnten der Forschung dabei helfen, zu verstehen, wie Galaxien entstanden sind und wie sich diese entwickelt haben. Außerdem erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über einige der größten Strukturen und energiereichsten Ereignisse des Weltraums.
„Jedes Mal, wenn wir eine solche Karte erstellen, sind unsere Bildschirme mit neuen Entdeckungen und noch nie zuvor mit menschlichen Augen gesehen Objekten gefüllt“, erklärt Timothy Shimwell von der Universität Leiden. „Die Erforschung dieser unbekannten Phänomene, die das energiereiche Radio-Universum mit ihrem Leuchten erfüllen, ist eine unglaubliche Erfahrung. Wir haben hiermit die Tür zu neuen Entdeckungen geöffnet“, ergänzt seine Kollegin Leah Morabito von der Durham University.
Aktuell enthält die veröffentlichte Karte trotz ihrer enormen Größe nur 27 Prozent der gesamten Durchmusterung. „Wir erwarten, dass dieses Projekt noch zu vielen wissenschaftlichen Durchbrüchen in der Zukunft führen wird, darunter die Beobachtung, wie die größten Strukturen des Kosmos heranwachsen oder wie sich Schwarze Löcher bilden und entwickeln. Auch die Physik, die hinter der Entstehung von Sternen und ihren spektakulärsten Lebensphasen steht, könnten die Daten helfen zu klären“, konstatiert Shimwell.
Astronomy & Astrophysics, doi: 10.1051/0004-6361/202142484