Robert Klatt
Die Heliosphäre, die Schutzblase unseres Sonnensystems, wird durch interstellaren neutralen Wasserstoff verformt.
Boston (U.S.A.). Das Magnetfeld und die Winde unserer Sonne erzeugen eine Schutzblase (Heliosphäre) um unser Sonnensystem, die uns vor interstellaren Teilchenströmen abschirmt. Bisher ging die Astronomie davon aus, dass diese Schutzblase einen tausende astronomischen Einheiten langen Plasmaschweif hinter sich herzieht. Neue Messdaten von Raumsonden und neue Modelle der Astrophysik deuten jedoch darauf hin, dass diese Annahme nicht korrekt ist.
„Zurzeit gibt es eine aktive Debatte darüber, welche Form und Struktur die Heliosphäre und ihr Schweif haben“, erklärt Merav Opher von der Boston University. Das Modell der Forscher geht von einer stark deformierten Heliosphäre aus, die einem Croissant ähnelt. Andere Gruppen nehmen hingegen an, dass die Heliosphäre rund ist. Welche Form die Heliosphäre tatsächlich besitzt, hängt davon ab, wie weit interstellare Teilchenströme in sie eindringen und wie diese ihren Plasmaschweif beeinflussen.
Die Wissenschaftler um Opher haben laut ihrer Publikation im The Astrophysical Journal die heliosphärischen Jets, eine zentrale Grundkomponent der Heliosphäre, näher analysiert, um eine Antwort auf die Frage nach deren Form zu erhalten. Es handelt sich dabei um von den Polen der Sonne ausgehende Ströme und Magnetfeldlinien, die die Form der Plasmablase beeinflussen. Im Rahmen ihrer Studie erstellten die Forscher deshalb eine Simulation, die die Faktoren, die die Jets verändern, analysiert.
Laut des Modells bleiben die heliosphärischen Jets unter fast allen Bedingungen stabil. Dabei bildet die Heliosphäre einen langen und gerade Schweif. Lediglich ein Einstrom neutraler Wasserstoffatome kann die Heliosphäre signifikant beeinflussen. „Die zentrale Achse begann zu wackeln und das bedeutet, dass etwas im Jet sehr instabil geworden ist“, erklärt Opher.
Der neutrale Teilchenstroms sorgt dafür, dass die einst geraden Jets sich stark krümmen. Dies sorgt dafür, dass auch geladene interstellare Teilchen weiter vordringen können und dabei Turbulenzen verursachen. „Wir zeigen, dass die Triebkraft dieser Turbulenz die Rayleigh-Taylor-Instabilität ist“, erklären die Autoren. Es handelt sich dabei um eine Instabilität, die dabei entsteht, wenn Medien unterschiedlicher Dichte kollidieren. Im Fall der Heliosphäre sind dies der neutrale Wasserstoff aus dem interstellaren Raum und die geladenen Teilchen des Sonnenwinds.
„Dieses Ergebnis ist ein bedeutender Durchbruch, denn es liefert eine Erklärung dafür, warum unser Modell eine deutliche Croissant-Form für die Heliosphäre ergibt und andere Modelle nicht“, konstatiert Opher. Ohne den Einstrom des neutralen Wasserstoffs entsteht diese Form nicht. Das Modell der Wissenschaftler passt damit zu Messdaten, laut denen am Rand der Heliosphäre die Dichte des neutralen Wasserstoffs 40 Prozent ist als bisher gedacht.
The Astrophysical Journal, doi: 10.3847/1538-4357/ac2d2e