Robert Klatt
Heiße Luft kann in der Ionosphäre gigantische Plasmablasen auslösen, die die Satellitenkommunikation stören. Ein neues KI-gestütztes Modell kann das Auftreten solcher Plasmablasen genau vorhersagen.
London (England). Die aus geladenen Gasteilchen bestehende Ionosphäre der Erde schützt den Planeten vor Strahlung aus dem Weltraum. Außerdem ist die in 80 80 Kilometer Höhe beginnende Atmosphärenschicht essenziell für die Satellitenkommunikation, weil sie Funkwellen reflektiert und dadurch deren Reichweite über die Erdkrümmung hinaus erweitert. Satellitenbetreiber und die Forschung beobachten seit Längerem jedoch, dass im Äquator und nach dem Sonnenuntergang der Kontakt zu manchen Satelliten abrupt abbricht.
Ausgelöst werden die plötzlichen Verbindungsabbrüche durch Turbulenzen in der Ionosphäre, die dazu führen, dass sehr heiße Luft aufsteigen kann. Diese Luft dehnt sich in der Ionosphäre innerhalb kurzer Zeit stark aus. Aus den nur fußballgroßen Blasen kann mit zunehmender Höhe somit eine Blase von über 100 Kilometer Durchmesser entstehen.
Aufgrund der nicht-ionisierten Gasmoleküle und der geringeren Dichte der äquatorialen Plasmablasen werden die Funksignale zwischen Satelliten und Erdoberfläche gestreut und abgelenkt. Dadurch kann der Funkkontakt für mehrere Minuten unterbrochen werden.
Wissenschaftler vom University College London (UCL) haben nun auf dem National Astronomy Meeting NAM 2022 eine Studie vorgestellt, die untersucht hat, wie oft Plasmablasen in der Ionosphäre entstehen und welche Einflussfaktoren zu deren Bildung führen.
Sie analysierten dazu mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) Messdaten der Swarm-Satelliten der Europäischen Weltraumagentur ESA. Es handelt sich dabei um drei Satelliten, die auf polaren Bahnen in 460 Kilometer Höhe die Erde umkreisen und dabei die Ionosphäre und das Magnetfeld der Erde beobachten.
Laut der Analyse entstehen äquatoriale Plasmablasen vor allem, wenn die Ausrichtung der örtlichen Magnetfeldlinien und der Tag-Nacht-Grenze gut übereinstimmen. Am häufigsten kommt es zu dieser Konstellation im Frühjahr und Herbst während der Tag-und-Nacht-Gleichen. Außerdem treten Plasmablasen in Ionosphäre bei hoher Sonnenaktivität verstärkt auf.
Die Satellitendaten zeigen zudem eine auffallende geografische Verteilung der Plasmablasen. Plasmablasen treten demnach auf häufigsten in den Äquatorregionen von Afrika und Südamerika auf. Das äquatoriale Asien ist hingegen deutlich weniger betroffen. Verursacht wird die Häufung der Plasmablasen in Afrika und Südamerika durch das Erdmagnetfeld, das in diesen Regionen eine Schwächezone besitzt. Diese sogenannte Schwächezone reicht von Südamerika bis zur Südspitze Afrikas.
Auf Basis der Studienergebnisse haben die Forscher ein KI-gestütztes Vorhersagemodell für Plasmablasen entwickelt. In ersten Tests lag dessen Genauigkeit bei 91 Prozent. „Wir müssen fähig sein, die Plasmablasen wie mit einer Art Wetterbericht vorherzusagen, um größere Störungen der Satellitendienste zu vermeiden. Unser Ziel ist es, das wir eines Tages so etwas sagen können wie: Um acht Uhr morgen Abend besteht eine 30-prozentige Chance für eine Plasmablase über dem Horn von Afrika“, erklärt Reddy.