Robert Klatt
Der Saturnmond Titan könnte in seinem unterirdischen Ozean außerirdisches Leben beheimaten. Weil bei den dortigen Bedingungen aber nur wenige Kilogramm Mikroben existieren können, ist der Nachweis sehr schwer.
Tucson (U.S.A.). Titan, der größte Mond des Saturn, ist bedeckt von Flüssen und Seen aus flüssigem Methan, eisigen Felsbrocken und Dünen aus rußähnlichem Sand. In der Astronomie wird schon lange darüber diskutiert, ob unter der dichten, nebligen Atmosphäre des Saturnmondes Außerirdische leben. Forscher der University of Arizona (UA) haben nun mithilfe eines Modells untersucht, ob auf dem Saturnmond Leben existieren könnte, wie dies aussehen könnte und wo es am ehesten zu finden wäre.
„In unserer Studie konzentrieren wir uns auf das, was Titan im Vergleich zu anderen eisigen Monden besonders macht: seinen reichen Gehalt an organischem Material.“
Laut der Publikation im Fachmagazin The Planetary Science Journal zeigt das Modell, dass Leben am ehesten im bis zu 480 Kilometer tiefen unterirdischen Ozean des Titans vorkommt. Die potenziell dort lebenden Organismen könnten organisches Material verstoffwechseln, wären mikroskopisch klein und würden insgesamt nur eine minimale Biomasse von wenigen Kilogramm erreichen.
Unterschiedliche Theorien gehen davon aus, dass die organische Chemie des Saturnmondes zur Entstehung von Leben geführt haben könnte. Die Autoren der neuen Studien erklären jedoch, dass diese Modelle auf zu stark vereinfachten Annahmen basieren.
„Es herrschte lange die Vorstellung, dass auf Titan genug organische Stoffe vorhanden sind, um eine Lebensform zu ernähren. Wir machen jedoch deutlich, dass nicht alle dieser Moleküle als Nahrungsquelle geeignet sind. Der Ozean ist riesig, und es gibt nur einen begrenzten Austausch zwischen Oberfläche und Tiefe – dort, wo sich die Organik sammelt. Daher plädieren wir für eine differenziertere Betrachtung.“
Die Forscher haben deshalb für ihr Modell einen sogenannten Zurück-zum-Ursprung-Ansatz verwendet, der auf der Fermentation, einem der einfachsten biologischen Stoffwechselprozesse, basiert. Fermentation benötigt ausschließlich organische Moleküle und keine Oxidationsmittel wie Sauerstoff, die bei komplexeren Stoffwechselprozessen erforderlich sind.
„Fermentation hat sich wahrscheinlich sehr früh in der Erdgeschichte entwickelt. Sie zwingt uns nicht dazu, spekulative oder hypothetische Mechanismen zu bemühen, die möglicherweise auf Titan nie stattgefunden haben.“
Das Leben auf der Erde hat sich laut verschiedenen Theorien durch die Aufnahme organischer Moleküle aus der Entstehungsphase des Planeten entwickelt. Um zu untersuchen, ob auch auf dem Saturnmond Titan potenziell Leben existieren könnte, haben die Forscher deshalb untersucht, ob ein ähnlicher Prozess wie auf der Erde auch dort stattgefunden haben kann.
„Wir fragten uns: Könnten ähnliche Mikroben auch auf Titan existieren? Und wenn ja – welches Potenzial hätte Titans unterirdischer Ozean für eine Biosphäre, die sich von den scheinbar reichlich vorhandenen abiotischen organischen Molekülen ernährt, die in der Atmosphäre entstehen, auf der Oberfläche abgelagert werden und möglicherweise bis in den Kern vordringen?“
Die Forscher haben sich bei ihrem Modell vor allem auf das Molekül Glycin, die einfachste aller bekannten Aminosäuren, konzentiert.
„Wir wissen, dass Glycin in urzeitlichem Material im Sonnensystem relativ häufig vorkam. In Asteroiden, Kometen und in jenen Staub- und Gaswolken, aus denen Sterne und Planeten wie unser Sonnensystem entstehen, findet man entweder Glycin oder seine Vorstufen fast überall.“
Die Ergebnisse der Simulation zeigen jedoch, dass nur ein minimaler Teil der organischen Stoffe auf Titan sich als Nahrung für Mikroorganismen eignet. Mikroben, die Glycin konsumieren, könnten nur leben, wenn die Aminosäure kontinuierlich von der Oberfläche durch die dicke Eisschicht in den Ozean gelangt. Laut früheren Studien ist dies prinzipiell möglich, weil Meteoriteneinschläge Schmelzwasserseen hinterlassen können, die durch das Eis sickern und organisches Material in den Ozean transportieren.
„Unsere neue Studie zeigt, dass diese Zufuhr wahrscheinlich nur ausreichen würde, um eine sehr kleine Population von Mikroben zu erhalten – mit einer Gesamtmasse von wenigen Kilogramm, etwa so viel wie ein kleiner Hund. Diese winzige Biosphäre würde im Schnitt weniger als eine Zelle pro Liter Wasser enthalten – und das im gesamten riesigen Ozean Titans.“
Wie die Forscher erklären, zeigt ihre Studie somit, dass der Nachweis von Leben auf dem Saturnmond Titan äußerst schwer ist, weil diese, falls überhaupt dort Leben existiert, nur in minimalen Mengen vorkommen.
„Wir kommen zu dem Schluss, dass Titans außergewöhnlich reiche organische Bestände vermutlich doch nicht in dem Maße zur Bewohnbarkeit beitragen, wie man es zunächst intuitiv annehmen würde.“
The Planetary Science Journal, doi: 10.3847/PSJ/adbc66