Robert Klatt
Ameisen desinfizieren sich mit ihrer Säure von innen, um sich vor schädlichen Bakterien in ihrer Nahrung zu schützen.
Halle-Wittenberg (Deutschland). Die meisten Ameisenarten besitzen eben Stacheln und Beißwerkzeugen auch Ameisensäure, die in Gefahrensituationen über eine Drüse am Hinterleib verspritzt werden kann. In der Biologie ist man lange davon ausgegangen, dass diese Ameisensäure von den Insekten einzig als „chemische Waffe“ eingesetzt wird. Ein Team um Prof. Dr. Heike Feldhaar von der Universität Bayreuth konnte jedoch belegen, dass Ameisen ihre Säure als Desinfektionsmittel nutzen, um ihre Brut vor schädlichen Pilzen zu schützen.
Nun haben Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) um Dr. Simon Tragust von Institut für Biologie herausgefunden, dass die einfache organische Säure von Ameisen genutzt wird, um sich von innen zu desinfizieren.
Laut der im Fachmagazin eLife publizierten Studie beobachtete Tragust, dass „Ameisen immer, wenn sie Futter oder Wasser schlucken danach vermehrt anfangen, sich an ihrem Hinterteil zu putzen.“ Wie Tragust erklärt „kann das Verhalten mit der Verdauung erst einmal nicht viel zu tun haben, denn die Ameisen machen das auch, wenn sie nur Wasser zu sich genommen haben.“
Um zu untersuchen, welchen Sinn das neuentdeckte Verhalten hat, führten die Wissenschaftler anschließend eine Reihe von Experimenten durch. Dabei fanden sie heraus, dass Ameisen ihre Säure nutzen, um sich vor Krankheiten zu schützen. „Hatten die Ameisen Zugang zu ihrer Säure, stiegen ihre Überlebenschancen deutlich, wenn sie Futter zu sich nahmen, das mit krankheitserregenden Bakterien angereichert war“, so Tragust
Der Schutz vor Krankheiten beschränkt sich dabei nicht auf einzelne Tiere, sondern betrifft die gesamte Kolonie. Dies liegt daran, dass Ameisen Nahrung von Mund zu Mund mit ihren Nestgenossen austauschen. Dabei handelt es sich laut Traugust „um eine große potenzielle Ansteckungsquelle.“ Durch die Desinfektion mit ihrer eigenen Säure reduziert eine Ameise also nicht nur ihr eigenes Infektionsrisiko gegen verschiedene Krankheiten, sondern reduziert insgesamt das Risiko der Kolonie. Die Ausbreitung von Infektionen kann so signifikant eingeschränkt werden.
Die Studienergebnisse erklären auch, wieso zuvor bei vielen Ameisen im Verdauungstrakt nur wenigen und fast ausschließlich säureresistente Bakterien gefunden wurden. Wie Tragust erklärt, „stellt die Säureaufnahme also auch einen Filtermechanismus dar, der das Mikrobiom von Ameisen strukturiert.“
Extrem saure Mägen besitzen neben Ameisen und Menschen nur wenige Tiere. Im Gegensatz zu Ameisen produzieren die meisten Wirbeltiere ihre Säure aber direkt im Magen. Die Effekte auf mögliche Krankheitserreger, die über die Nahrung aufgenommen werden, sind in beiden Fällen laut den Studienautoren aber identisch.
eLife, doi: 10.7554/eLife.60287