Conny Zschage
Plastik ist ein sehr weitverbreitetes Material, da es günstig, robust und langlebig ist. Doch von den 400 Millionen Tonnen Kunststoffen, die jedes Jahr produziert werden, landen rund 9 Millionen Tonnen in den Ozeanen und töten dort Millionen von Lebewesen. Nun haben Forscher ein Bakterium untersucht, welches Plastik in kurzer Zeit vollständig zersetzen kann. Gefunden wurde es im Magen von Kühen.
Wien (Österreich). Bis sich eine herkömmliche PET-Plastikflasche zersetzt hat, dauert es etwa 450 Jahre. Das heißt, dass die theoretisch älteste PET-Plastikflasche, welche im Jahr 1973 erfunden wurde, heute erst zu 11 % zersetzt ist. Und dass es noch hunderte Jahre dauern wird, bis sie vollständig verschwunden ist.
Da Kunststoffe in immer kleinere Teile zerfallen, ist die sogenannte Mikroplastik mittlerweile auch für Menschen gesundheitsgefährdend. Denn die Millionen Tonnen von Plastik, welche jedes Jahr im Meer landen, werden teilweise von den dortigen Lebewesen gefressen. Da viele dieser Fisch gefangen werden, um als Lebensmittel verkauft zu werden, nehmen auch viele Menschen regelmäßig Mikroplastik zu sich. Wie schädlich dies ist, ist momentan nur sehr wenig erforscht. Als Vorsorgemaßnahme wird trotzdem an Methoden geforscht, um Plastik schneller abzubauen.
Kühe ernähren sich regelmäßig von natürlichem Polyester, welches in Gräsern und Pflanzen vorkommt. Da Kühe Wiederkäuer sind, besitzen sie mehrere Mägen. Der Erste und größte davon ist der Pansen. Eine Forschergruppe der Universität Wien erforschte nun, wie effektiv Bakterien des Pansens künstliche Polymere abbauen können. Dafür untersuchten sie die Wirkung der Mikroben auf PET-Plastik und bioabbaubare Plastik. Das Ergebnis: alle Materialien wurden erfolgreich zersetzt. Die Details der Studie veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Frontiers in Bioengineering and Biotechnology.
Bereits 2016 fanden japanische Forscher ein Bakterium namens „Ideonella sakaiensis“, welches Plastik zersetzen kann. Dieses benötigt etwa 40 Tage, um 60 Milligramm PET-Plastik vollständig zu vernichten. Die Bakterien aus Kuhmägen könnten eine kosteneffiziente Alternative sein. Denn von der Magenflüssigkeit bleiben jedes Jahr Millionen von Litern in Schlachthöfen übrig, welche meist einfach vernichtet statt weiterverarbeitet werden. Die riesigen Mengen von Bakterien, welche daraus gewonnen werden könnten, würden helfen diese biologische Form der Plastikvernichtung großräumig einzusetzen.
Doch vorher ist noch viel zusätzliche Forschung nötig. Denn möglicherweise können die Bakterien durch künstliche Evolution weiterentwickelt werden, um noch schneller Plastik zu vernichten. Auch gibt es einige Arten von Plastik, welche momentan noch gar keine „Fressfeinde“ haben. Gegebenenfalls könnten auch neue Kühe gezüchtet werden, welche nur für die Produktion plastikvernichtender Bakterien zuständig sind. Auch in den Ozeanen, wo die Plastikverschmutzung am größten ist, gibt es möglicherweise noch viel zu entdecken.
Denn vielleicht gibt es irgendwo am Meeresboden schon einen Mikroorganismus, welcher sich von Plastik ernähren kann und diese schnell und effizient vernichtet. Da laut der Evolutionstheorie nur die anpassungsfähigsten Lebewesen überleben, würde so eine Entwicklung sogar Sinn ergeben. Denn während ein Großteil der Fische im Meer allmählich verschwindet, nimmt der Plastikanteil immer weiter zu. Lebewesen, welche sich von Plastik statt Fischen oder Korallen ernähren, wären bei der momentanen Entwicklung also optimal für die nächsten Jahre angepasst.
Frontiers in Bioengineering and Biotechnology, doi: 10.3389/fbioe.2021.684459a