Robert Klatt
Das vokale Kommunikationssystem von Schimpansen ist deutlich komplexer als gedacht. Womöglich besitzen die intelligenten Menschenaffen eine einfache Sprache.
Leipzig (Deutschland). Im Vergleich zu den komplexen Sprachen der Menschen scheint die Kommunikation zwischen Tieren deutlich einfacher abzulaufen. Eine Untersuchung der Max-Planck-Institute für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) und für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI-CBS) sowie des CNRS-Instituts für Kognitionswissenschaften in Lyon offenbart nun, dass die Lautkommunikation der Primaten bisher stark unterschätzt wurde.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Communications Biology zeichneten die Wissenschaftler an der Elfenbeinküste Lautäußerungen wilder Schimpansen auf. Eine anschließende Analyse zeigt, dass die Menschenaffen zwölf verschiedenen Rufe zu unterschiedlichen Lautsequenzen kombinieren. Diese Kombinationen folgen wie die menschliche Sprache auch bestimmten Regeln.
Die Kommunikation der Primaten ist der Sprache des Menschen damit deutlich ähnlicher, als die Biologie bisher angenommen hat. Die meisten menschlichen Sprachen umfassen weniger als 50 Laute, die zu Wörtern kombiniert werden, aus denen dann wiederum Sätze bestehen. Einige Menschenaffen verwenden bis zu 38 Rufe.
Die Aufzeichnungen im Taï-Nationalpark enthalten tausende Rufe von 46 Schimpansen aus drei Gruppen. Aus diesen konnten die Forscher zwölf verschiedene Rufe identifizieren, die zu 390 verschiedenen Lautsequenzen kombiniert wurden. Die meisten Lautsequenzen bestehen aus nur zwei bis drei Rufen. Es gab aber auch komplexe Sequenzen aus bis zu zehn Rufen.
Laut den Autoren kombinieren die Primaten ihre Rufe flexibel. Manche Kombinationen sind jedoch häufig gemeinsam in Sequenzen vorhanden. Das spricht dafür, dass die Kommunikation der Schimpansen nicht wahllos abläuft, sondern bestimmten Regeln und Prinzipien folgt. Bisher haben die Forscher aber noch nicht genügend Daten gesammelt, um die Bedeutung der Lautfolgen entschlüsseln zu können.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass das vokale Kommunikationssystem der Schimpansen viel komplexer und strukturierter ist als bisher angenommen“, erklärt Tatiana Bortolato. Die Komplexität der menschlichen Sprache kann die Lautkommunikation der Menschenaffen aber sehr wahrscheinlich nicht erreichen.
„Indem wir die Komplexität der Lautsequenzen freilebender Schimpansen erforschen, einer Tierart mit einem komplexen Sozialleben ähnlich dem des Menschen, erhoffen wir uns mehr darüber zu erfahren, woher wir kommen und wie sich unsere einzigartige Sprache entwickelt hat“, so Catherine Crockford.
Communications Biology, doi: 10.1038/s42003-022-03350-8