Robert Klatt
Genetisch veränderte Bierhefe erzeugt CBD und andere Cannabinoide, die zur Behandlung zahlreicher Krankheiten eingesetzt werden können.
Berkeley (U.S.A.). Cannabidiol (CBD) und andere nicht psychoaktive Cannabinoide, die auch in Deutschland in verschiedenen Darreichungsformen legal erworben werden können, werden seit einigen Jahren verstärkt aufgrund ihrer klinischen Anwendungsmöglichkeiten erforscht. Wissenschaftliche Studien konnten unter anderem bereits belegen, dass CBD soziale Angststörungen lindert, beim Alkohol- und Drogenentzug hilft und sogar die Wirksamkeit von Antibiotika erhöht.
Cannabinoide werden derzeit hauptsächlich aus gewöhnlichem Hanfpflanzen gewonnen, die in einigen Regionen auf großen Plantagen angebaut werden. Aufgrund des hohen Energie- und Wasserbedarfs sind diese Cannabisplantagen aber aus ökologischer Perspektive problematisch. Wissenschaftler der University of California in Berkeley erklären außerdem, dass die geringe Konzentration der Cannabinoide es erschwert, diese aus der Pflanze zu isolieren und für Forschungszwecke zu nutzen.
Wissenschaftler um Xiaozhou Luo haben deshalb nach alternativen Herstellungsmethoden für CBD und andere für die Medizin interessante Cannabinoide gesucht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature veränderten sie dazu Gene der Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae), die daraufhin begann Cannabinoide zu produzieren.
Wie Luo erklärt, haben die Biowissenschaftler dazu Gene von fünf Bakterienarten in das Erbgut der Stoffwechselwege der Hefe eingebaut. Außerdem wurden Gene von Cannabispflanzen, die die Synthese der Cannabinoide steuern, in das Erbgut der Bierhefe verpflanzt. Die Bierhefe kann so Galactose-Zucker in Vorläufermoleküle der Cannabinoid-Synthese wie Olivetolsäure umwandeln. Anschließend erzeugt die Hefe aus diesen Molekülen Cannabigerolsäure (CBGA).
Die so erzeugte Cannabigerolsäure ist der Grundbaustein aller Cannabinoide, also auch von CBD. Im nächsten Schritt erzeugt die genetisch veränderte Bierhefe durch spezielle Enzyme Tetrahydrocannabinol- und Cannabidiolsäure, aus denen wiederum durch Licht und Wärme CBD und THC hergestellt werden. Den Wissenschaftlern um Luo gelang es außerdem Cannabidivarin (CBDV) und Tetrahydrocannabivarin (THCV) herzustellen, deren Wirkung bisher kaum erforscht wurde.
In der Vergangenheit hat die Wissenschaft Hefe bereits eingesetzt, um Morphium, Insulin und Blutgerinnungsfaktoren zu synthetisieren. Die nun entdeckte Methode hat laut Luo aber noch deutlich größeres Potenzial, weil das Interesse der Forschung an Cannabinoiden groß ist und ein kommerziell interessanter Markt bereits existiert. Die Wissenschaftler konstatieren, dass „diese Arbeit den Grundstein für die industrielle Gewinnung von Cannabinoiden unabhängig vom Cannabis-Anbau legt.“
Neben einer vereinfachten Erforschung der Cannabinoide werden davon laut den Studienautoren auch deren Nutzer profitieren, denen so qualitativ hochwertige und günstige CBD-Produkte angeboten werden können. Wie Jay Keasling erklärt, „ist die neue Methode außerdem der wesentlich umweltfreundlichere Weg, Cannabinoide zu produzieren.“
Nature, doi: 10.1038/s41586-019-0978-9