Robert Klatt
Fadenwürmer entwickeln durch den Konsum von Cannabinoiden von „hedonistisches Fressverhalten“, bei dem sie besonders kalorienreiche Nahrung bevorzugen. Die Beobachtung zeigt, dass Parallelen in der Evolution der Würmer und des Menschen bestehen.
Eugene (U.S.A.). Es ist seit Langem bekannt, dass Cannabis beim Menschen Heißhunger verursachen kann. Laut dem Neurowissenschaftler Shawn Lockery konsumieren die Personen unter dem Einfluss der illegalen Droge vorwiegend süße und fetthaltige Lebensmittel.
„Konsumenten berichten unter dem Einfluss von Cannabis beständigen Hunger, selbst wenn sie vorher noch satt waren. Begleitet wird dieses Hungergefühl oft durch ein spezielles Verlangen nach Lebensmitteln, die süß sind oder viel Fett enthalten.“
Inzwischen hat die Wissenschaft dies auch bei anderen Säugetieren beobachtet. Forscher der University of Oregon (UO) haben laut ihrer Publikation im Fachmagazin Current Biology nun entdeckt, dass auch Fadenwürmer ein „hedonistisches Fressverhalten“ zeigen und kalorienreiche Nahrung bevorzugen, wenn sie unter dem Einfluss von Cannabinoiden stehen.
Ausgelöst wird der Effekt beim Menschen primär durch das psychoaktive Cannabinoid Tetrahydrocannabinol (THC), das durch seine starke Ähnlichkeit zu Endocannabinoiden, körpereigenen Stoffen, im Gehirn auf Cannabinoid-Rezeptoren wirkt.
In ihren Experimenten beobachteten die Wissenschaftler eine ähnliche Wirkung bei Fadenwürmern (Caenorhabditis elegans), die von Entwicklungsbiologen und Genetikern oft als Modellorganismus verwendet werden. In Kontakt mit dem Endocannabinoid Anandamid, das sowohl bei den Würmern als auch bei Menschen vorkommt, fragen die etwa einen Millimeter kleinen Fadenwürmer deutlich mehr als sonst. Ihr Lieblingsnahrung, bestimmte Bakterien, bevorzugten sie dabei noch stärker.
„Wir fanden heraus, dass Cannabinoide die Empfindlichkeit von einem der Geruchsnerven, der bei C. elegans hauptsächlich für die Erkennung von Nahrung zuständig ist, dramatisch verändern. Diese Wirkung hilft, die Veränderungen im Fressverhalten des Wurms zu erklären, und erinnert daran, dass THC bei Menschen leckeres Essen noch leckerer macht.“
In einem weiteren Experiment ersetzten die Forscher den Cannabinoid-Rezeptor NPR-19 des Fadenwurms durch den menschlichen Cannabinoid-Rezeptor CB1. Der Effekt der Cannabinoide auf das Fressverhalten blieb dadurch unverändert, was laut den Forscher eine deutliche Parallele zwischen den Würmen und dem Menschen zeigt.
Dies belegt, dass eindeutige Gemeinsamkeiten zwischen der genetischen, neuronalen und verhaltensbezogenen Basis des hedonistischen Fressens bei Säugetieren und dem untersuchten Fadenwurm bestehen. Die Beobachtung ist ein deutlicher Hinweise darauf, dass dieses körpereigene System in der Evolution lange besteht. Die gemeinsamen Vorfahren von Säugetieren und Fadenwürmern lebten vor über 500 Millionen Jahren auf der Erde.
„Dass die Wirkung von Cannabinoiden auf den Appetit über diesen langen Evolutionszeitraum bewahrt wurde, ist wirklich bemerkenswert.
Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.03.013