D. Lenz
Füchsen und Waschbären haben schon vor längerer Zeit die Stadt als Lebensraum zurückerobert. Nun folgen ihnen die Dachse, wie Wissenschaftler mit Fotofallen belegen konnten. Dies zeigt zwar, dass sich die europäischen Dachspopulation erholt, die Tiere aber auch die Scheu vor dem Menschen verlieren.
Zürich (Schweiz). Der Europäische Dachs, der zu der Familie der Marder gehört, besiedelt in der Regel hüglige Wälder mit viel Unterholz. Bisher war er in urbanen Siedlungsgebieten eher selten anzutreffen. Wurde ein Dachs doch einmal in der Nähe einer Stadt gesehen, so hielt man dies für ein Relikt der Ausdehnung von Städten. So vermutete man, dass der Dachs bereits in der Region heimisch war, als die Stadt noch kleiner war. Als die Stadt dann immer weiterwuchs, sind die Dachse geblieben. Aus diesem Grund traf man sie bisher auch überwiegend nur am Standrand an. Eine aktuelle Studie der Forschungsgemeinschaft Swild zeigt jedoch, dass dem nicht so ist und Dachse sich bewusst immer weiter in die Stadtzentren vorwagen.
Fabio Bontadina und seine Kollegen von der Forschungsanstalt WSL haben für ihre Studie zahlreiche Daten, beispielsweise aus Fotofallen in St. Gallen und Zürich, dokumentierte Fälle von verendeten Dachsen durch den Straßenverkehr sowie Beobachtungen eines Bürgerwissenschaftsprojekts ausgewertet. Die Zahlen und Orte der Sichtungen zeigen, dass sich der Dachs in der Schweiz zunehmend verbreitet und sich ihr Siedlungsraum nun auch auf große Städte ausbreitet.
Wie die Wissenschaftler im Fachjournal Hystrix schreiben, hat sich die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Dachse seit dem Jahr 1992 mehr als verdoppelt. Zudem zeigten die Fotofallen, dass Dachse in St. Gallen und Zürich mehr als dreimal so oft von Wildtierkameras fotografiert wurden als es noch 1997 der Fall war. Zusätzlich gibt es seit rund zehn Jahren vermehrt Sichtungen von Dachsen im Stadtzentrum von Zürich. Dies war in den 1990er Jahren noch nicht der Fall und die Marderart wurde zu jener Zeit vereinzelnd in waldnahen Stadtrandgebieten beobachtet.
Nachdem zwischen 1967 und 1996 die Tollwut-Epidemie herrschte, wurden im Zentrum Europas zahlreiche Wildtierbestände dezimiert. Der Fuchs hat sich sehr schnell erholen und somit als eines der ersten Wildtiere die Stadt erobern können. Nun zieht der Dachs nach. Warum er dies erst jetzt tut, mag daran liegen, dass Dachse ein weniger flexibles Verhalten aufweisen und wohlmöglich eine längere Generationszeit als Füchse haben, so die Wissenschaftler.
Dass der Dachs in die Städte vordringt sehen die Wissenschaftler zwiespältig. Auf der einen Seite lässt sich daraus eine positive Entwicklung der europaweiten Dachsbestände schließen und auch das Interesse der Stadtbewohner kann durch vermehrte Sichtungen von Dachsen das allgemeine Interesse an der Natur steigern – was wiederum ein wichtiger Punkt für den Artenschutz ist. Auf der anderen Seite hingegen kann der Dachs durch seine unterirdischen Bauten für finanzielle Schäden sorgen. Zudem kann diese Marderart auch Krankheiten wie Rindertuberkulose übertragen.
Aber auch für andere Wildtiere, wie beispielsweise den etablierten städtischen Igel, der zu den Beutetieren der Dachse zählt, sind dies keine guten Nachrichten. Es wird sich in den nächsten Jahrzehnten also zeigen, ob der bis zu 88 Zentimeter lange und bis zu 17 Kilogramm schwere Dachs in der Stadt bleibt oder ob er sich wieder in die immer knapperen Waldgebiete zurückziehen wird.
Hystrix, doi: 10.4404/hystrix-00069-2018