Robert Klatt
Die männliche Masturbation bei Primaten entstand, weil sie den Tieren bei der Fortpflanzung hilft und vor sexuell übertragbaren Infektionen schützt.
London (England). Bei Tieren, besonders bei Primaten, ist Masturbation weitverbreitet. Die Wissenschaft war sich bisher uneinig darüber, ob die Masturbation ein Nebenprodukt sexueller Erregung oder eine pathologische Aktivität ist, weil die vorhandenen Studien sich teilweise widersprochen haben. Forscher des University College London (UCL) um Dr. Matilda Brindle haben deshalb eine umfassende Metastudie zur Masturbation bei Primaten erstellt, die Daten aus 150 Fragebögen und Mitteilungen von Primatologen und Tierpflegern sowie 246 Studien enthält.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences konnten die Wissenschaftler anhand dieser Daten die evolutionäre Herkunft des autosexuellen Verhaltens bei Primaten rekonstruieren. Das Team stellte fest, dass Masturbation eine lange evolutionäre Geschichte bei Primaten hat und wahrscheinlich im gemeinsamen Vorfahren aller Affen, Menschenaffen und Menschen vorhanden war.
Um zu verstehen, warum die Evolution dieses scheinbar nicht funktionale Merkmal hervorbrachte, untersuchten die Studienautoren mehrere Hyperthesen.
Die Postkopulations-Auswahl-Hypothese wird dadurch gestützt, dass die männliche Masturbation in der Evolution gemeinsam mit Mehrmännchen-Paarungssystemen, bei denen eine starke Konkurrenz zwischen den Männchen besteht, entstanden ist. Auch die Pathogen-Vermeidungs-Hypothese hat evolutionäre Vorteile. Laut ihr ko-evolvierte die männliche Masturbation mit hoher STI-Last im Stammbaum.
„Unsere Erkenntnisse helfen, Licht auf ein sehr verbreitetes, aber wenig verstandenes sexuelles Verhalten zu werfen und stellen einen bedeutenden Fortschritt in unserem Verständnis der Funktionen der Masturbation dar. Die Tatsache, dass autosexuelles Verhalten eine adaptive Funktion haben kann, in der gesamten Primatenordnung verbreitet ist und von in Gefangenschaft lebenden und in freier Wildbahn lebenden Mitgliedern beider Geschlechter praktiziert wird, zeigt, dass Masturbation Teil eines Repertoires gesunder sexueller Verhaltensweisen ist.“
Die Bedeutung der weiblichen Masturbation bleibt weniger klar. Obwohl sie häufig vorkommt, gibt es weniger Berichte, die sie beschreiben, was die analytische Kraft der Statistik verringert. Das Team argumentiert, dass mehr Daten über weibliches Sexualverhalten benötigt werden, um die evolutionäre Rolle der weiblichen Masturbation besser zu verstehen.
Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences, doi: 10.1098/rspb.2023.0061