Robert Klatt
Die synthetische Biologie arbeitet an lebenden Systemen, die in der Natur nicht vorkommen. Forscher haben nun programmierbare Cyborg-Zellen erzeugt, die in der Zukunft bei Krebs und anderen Krankheiten helfen sollen.
David (U.S.A.). Die synthetische Biologie ist ein neues Fachgebiet der Wissenschaft, in dem Biologen, Chemiker und Ingenieure zusammen daran arbeiten, biologische Systeme zu produzieren, die in der natürlichen Umwelt nicht existieren. Das Ziel der synthetischen Biologie ist es also, biologische Systeme mit neuen Eigenschaften zu erzeugen.
Forschern um den Biomediziner Cheemeng Tan von der University of California in Davis (UC Davis) haben nun programmierbare Cyborg-Zellen erschaffen, die unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten haben sollen. Die modifizierten Zellen können, wie normale, lebende Zellen bestimmte Aufgaben erledigen, haben aber keine Möglichkeit sich zu vermehren.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Advanced Science haben die Forscher dazu in lebenden Bakterienzellen künstliche Polymerbausteine eingesetzt. Danach bestrahlten sie die Polymerbausteine in den Zellen mit ultraviolettem Licht, was dazu führte, dass diese eine Hydrogelmatrix bildeten.
Die Hydrogelmatrix sorgt dafür, dass die Zellen sich nicht reproduzieren können, aber trotzdem ihre biologische Aktivität behalten. Außerdem werden die Zellen durch die Behandlungen resistenter gegen Wasserstoffperoxid, hohe pH-Werte, Antibiotika und andere Stressfaktoren, die normale Zellen töten.
In der synthetischen Biologie gab es bisher zwei Ansätze, um Zellen mit weiteren Funktionen zu entwickeln. Der erste Ansatz ist die Herstellung einer komplett künstlichen Zelle aus einer synthetischen Membran und Biomolekülen. Weil diese Zellen deutlich weniger komplex als natürliche Zellen sind, können sie aber nur wenige Aufgaben ausführen.
Beim zweiten Ansatz wird das Erbgut einer lebenden Bakterienzelle so modifiziert, dass diese weitere Funktionen erhält. Es ist dadurch möglich, eine Zelle so zu verändern, dass diese unterschiedliche Aufgaben ausführen kann. Die modifizierte Zelle behält aber ihre Reproduktionsfähigkeit. Sie könnte sich also mit ihren künstlichen Eigenschaften unkontrolliert vermehren.
Die Wissenschaftler um Tan nutzen hingegen einen neuen Ansatz, mit halb lebendigen Cyborg-Zellen. Diese können sich nicht vermehren und sind trotzdem deutlich komplexer als die Zellen aus dem ersten Ansatz der synthetischen Biologie.
„Die Cyborg-Zellen sind programmierbar, teilen sich nicht, behalten wesentliche zelluläre Aktivitäten bei und erlangen neue Fähigkeiten.“
Laut den Forschern könnten die Cyborg-Zellen in Zukunft in der Medizin eingesetzt werden. In einem Experiment konnten die modifizierten Zellen bereits in Krebszellen eindringen. Nun wollen die Forscher untersuchen, wie die andere Matrixmaterialien auf die Cyborg-Zellen und deren Anwendungsmöglichkeiten auswirken.
Advanced Science, doi: 10.1002/advs.202204175