Robert Klatt
Genmanipulierte Einzeller können eine Vorstufe des Cannabinoids Tetrahydrocannabinol (THC) produzieren. Durch weitere Enzyme soll die Amöbe bald auch das Endprodukt THC erzeugen können.
Jena (Deutschland). Polyketide sind eine große Gruppe von Naturstoffen mit gesundheitsfördernden Eigenschaften. Gebildet werden die aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen von unterschiedlichen Pflanzen, darunter auch Cannabis. Polyketide bilden die Grundlage für verschiedene Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), das antioxidative Resveratrol und Antibiotika. Bisher mussten zur Gewinnung der Polyketide Pflanzen angebaut und verarbeitet werden.
Die Wissenschaft sucht deshalb nach Methoden, mit denen Mikroorganismen Polyketide per Biosynthese herstellen können. Gelungen ist dies bereits mit Escherichia coli Bakterien, die Hefe produzieren. Problematisch dabei ist vor allem, dass Mikroben zur Bildung von Polyketiden die entsprechenden Enzyme fehlen. Diese müssten den Kleinstlebewesen durch einen komplexen gentechnischen Umbau also erst eingeschleust werden.
Wissenschaftler des Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (HKI) haben deshalb nach alternativen Cannabinoid-Produzenten gesucht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Biotechnology fanden sie dabei heraus, dass die Amöbe Dictyostelium discoideum besonders gut dazu geeignet ist, weil sie bereits zahlreiche Bauanleitungen für Enzyme der Polyketidsynthese besitzt.
„Bei näherer Betrachtung der Gene ist uns aufgefallen, dass einige eine hohe Ähnlichkeit zu pflanzlichen Biosynthesegenen aufweisen“, erklärt Christin Reimer. Normalerweise ist ein Großteil dieser Enzymgene in den Amöbenzellen jedoch inaktiv.
Die Wissenschaftler versuchten deshalb die zur Biosynthese benötigen Enzyme der Einzeller zu reaktivieren. Die Amöben begannen anschließend je nach Versuch mit der Produktion von Resveratrol oder Olivetolsäure, einer Vorstufe von THC. Dabei wurden aber nur extrem geringe Mengen erzeugt und die Biosynthese funktioniert nur, wenn bestimmte Zusatzstoffe im Nährmedium vorhanden waren.
Um höhere Mengen produzieren zu können, entwickelten die Forscher deshalb eine Methode, die die Enzyme des Schleimpilzes mit Enzymen der Hanfpflanze kombiniert. Dieses Hybridkonstrukt wurde dann in das Genom des Schleimpilzes eingeschleust. „Die Amöbe ist dadurch in der Lage, direkt vor Ort die benötigte Vorstufe, eine Hexan-Einheit, herzustellen“, erklärt Falk Hillmann. Die optimierten Amöben konnten also Olivetolsäure ohne weitere Zusätze erzeugen.
„Durch unsere Forschung haben wir gezeigt, dass die Amöbe Dictyostelium als biotechnologische Produktionsplattform für Polyketid-basierte Naturstoffe genutzt werden kann. Unser nächstes Ziel ist es jetzt, die beiden noch fehlenden Enzyme einzufügen, um das Endprodukt THC in den Amöben herstellen zu können“, erklärt Reimer.
Nature Biotechnology, doi: 10.1038/s41587-021-01143-8