Grund des Amphibiensterbens?

Glyphosat verursacht Fehlbildungen an Herz und Gehirn

Robert Klatt

Landwirt verwendet das Pflanzenschutzmittel Glyphosat )kcotS ebodAthcelhcS nitraM(Foto: © 

Das umstrittene Pflanzenschutzmittel verursacht auch ohne Zusatzstoffe bereits in minimalen Konzentrationen Fehlbildungen an Herz und Gehirn. Wissenschaftler plädieren deshalb für ein Verbot oder zumindest eine Beschränkung des Glyphosateinsatzes.

Ulm (Deutschland). Das Herbizid (Unkrautbekämpfungsmittel) Glyphosat wird in der Landwirtschaft in großen Mengen eingesetzt. Obwohl Studien belegen, dass das Pflanzenschutzmittel Fehlbildungen bei Kaulquappen verursacht und die Anzahl der Ameisen reduziert, hat die Europäische Union (EU) das Mittel als unbedenklich eingestuft. Die bisher publizierten Studien haben aber kein reines Glyphosat untersucht, sondern das Herbizid mit den Zusatzstoffen, die es für die Verwendung in der Landwirtschaft enthält.

Es war daher unklar, ob die Schadwirkung durch das Glyphosat, die Zusatzstoffe oder die Kombination darauf verursacht wurden. Forscher der Universität Ulm haben deshalb eine neue Studie durchgeführt, in der sie untersucht haben, ob reines Glyphosat ohne Zusatzstoffe in unterschiedlichen Konzentrationen die Entwicklung von Krallenfroschlarven (Xenopus laevis) beeinflusst.

Glyphosatkonzentrationen in der Umwelt

Die Froschlarven wurde dazu in Wasser mit 0,1 Milligramm bis 243 Milligramm Glyphosat pro Liter aufgezogen. Es handelt sich dabei um Konzentrationen, die auch in der Umwelt vorkommen. In Europa variiert der Glyphosat-Gehalt in verschiedenen Wasserquellen, wie Bächen und Tümpeln, erheblich. Deutschland weist recht niedrige Konzentrationen auf, mit nur 0,0025 Milligramm pro Liter.

Frankreich hat mit 0,086 Milligramm pro Liter einen etwas höheren Wert, wohingegen Portugal mit beachtlichen 12,46 Milligramm pro Liter heraussticht. Weltweit gesehen ist die Situation jedoch noch gravierender. In Ländern außerhalb Europas, in denen Glyphosat intensiver eingesetzt wird, kann die Belastung der Wasserressourcen drastisch zunehmen. China stellt dies mit 15,21 Milligramm pro Liter unter Beweis. Argentinien hat mit messbaren 105 Milligramm pro Liter den Spitzenwert erreicht.

Missbildungen auch bei geringen Glyphosatkonzentrationen

Die Studie zeigt, dass reines Glyphosat ohne Zusatzstoffe auch in sehr geringen Konzentrationen bei den Kaulquappen Missbildungen verursacht, darunter verkleinerte Herzen, fehlgebildete Hirnnerven und verkrümmte Körper. Laut Susanne Kühl kam es zudem zu Verhaltensänderungen bei den Tieren.

„Die dem Herbizid-Reinstoff ausgesetzten Kaulquappen zeigen zudem ein verändertes Schwimmverhalten.“

Wie Hannah Flach erklärt, überraschten die Ergebnisse die Wissenschaftler.

„Überraschend für uns war, dass einige Defekte bereits bei der niedrigsten Konzentration auftraten, die wir getestet haben, also bei 0,1 Milligramm pro Liter. Das sind Konzentrationen, die in natürlichen Gewässern in vielen Ländern teils mehrfach überschritten werden.“

Es wurde festgestellt, dass steigende Glyphosat-Konzentrationen eine direkte Korrelation mit der Schwere von Fehlbildungen und der Unruhe im Verhalten der Kaulquappen aufweisen. Laut der Publikation im Fachmagazin Ecotoxicology and Environmental Safety zeigten weitere Untersuchungen zudem mögliche Hinweise auf den negativen Einfluss von Glyphosat auf die Entwicklung der Nerven im Gehirn und die Hemmung eines entscheidenden Gens, das für eine ordnungsgemäße Entwicklung des Herzens der Tiere verantwortlich ist.

„Unsere Beobachtungen legen nahe, dass diese Effekte allein auf das Glyphosat zurückgehen und unabhängig von anderen Zusatzstoffen des Herbizids sind.“

Amphibiensterben durch das Pflanzenschutzmittel Glyphosat?

Die Studienergebnisse untermauern die Erkenntnis, dass Glyphosat beträchtliche Missbildungen bei Amphibien und möglicherweise auch anderen Lebewesen hervorrufen kann. Es wurde beobachtet, dass bei verschiedenen Tierarten Glyphosat eine Zunahme der Mortalitätsrate, Entwicklungsstörungen, Organschädigungen und Verhaltensauffälligkeiten zur Folge hat.

„All diese Evidenzen sprechen dafür, dass dieses Herbizid breite Auswirkungen auf die Tierwelt hat und für Lebewesen neu bewertet werden muss.“

Die Autoren sehen es als möglich an, dass Glyphosat eine bedeutende Rolle im globalen Amphibiensterben gespielt hat und weiterhin spielt. Ihre Studie stärkt somit die Argumentation für ein Verbot oder zumindest eine Beschränkung des Glyphosateinsatzes. Ein weiteres bedenkliches Detail ist, dass Glyphosat mittlerweile Bestandteil der Nahrungskette geworden ist und sogar im menschlichen Urin nachgewiesen werden konnte.

Ecotoxicology and Environmental Safety, doi: 10.1016/j.ecoenv.2023.115080

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