Robert Klatt
Der Blasentang (Fucus vesiculosus) bildet die Basis des Ökosystems der Ostsee. Nun wurde entdeckt, dass in der Ostsee eine rund 500 Kilometer lange Blasentangpopulation aus Millionen von Individuen existiert, die alle Ableger derselben Mutterpflanze sind. Es handelt sich dabei um den weltweit größten Klon.
Göteborg (Schweden). Der Blasentang (Fucus vesiculosus) bildet die Basis des Ökosystems der Ostsee. Weil die Algenart dank ihrer zahlreichen Gasblasen aufrecht im Wasser stehen kann, erhält sie in Tiefen von bis zu zehn Metern ausreichend Sonnenlicht. Der Blasentang bildet am Meeresgrund große „Wälder“, in denen zahlreiche Tierarten leben. Außerdem binden die Algen Schwermetalle und Stickstoff.
Forscher der Universität Göteborg haben aufgrund der großen ökologischen Bedeutung der Algen nun untersucht, wie sich die unterschiedlichen Blasentangwälder in der Ostsee voneinander unterscheiden. Dazu haben sie an 55 Punkten in der Ostsee und dem benachbarten Atlantik Proben entnommen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die genetische Struktur der Population von Fucus vesiculosus sehr komplex sein kann.“
Die Analyse zeigt unter anderem, dass die Algenart sowohl geschlechtlich mit einer weiblichen und männlichen Elternpflanze als auch mit genetisch identischen Klonen derselben Mutterpflanze fortpflanzen kann.
Laut der Publikation im Fachmagazin Molecular Ecology haben die Forscher am Bottnischen Meerbusen zwischen Schweden und Finnland eine rund 500 Kilometer lange Blasentangpopulation aus Millionen von Einzelpflanzen entdeckt, die alle dieselbe DNA besitzen und wohl von einer einzelnen Mutterpflanze stammen. Es handelt sich dabei um den größten bekannten Klon eines Organismus auf der Erde.
„Dieser Klon besteht aus Millionen von Individuen, und in einigen Gebieten ist er völlig dominant, während er in anderen Gebieten neben sexuell vermehrten Blasentang-Pflanzen wächst. Wir haben einige weitere große Klone in der Ostsee gefunden, aber der weibliche Klon vor dem schwedischen Bottnischen Meerbusen ist bei weitem der größte Klon – ein echtes Superweibchen.“
Weil der Klon deutlich kleiner und buschiger wächst als der meiste andere Blasentang, wurde zuvor angenommen, dass er die eigene Art Fucus radicans ist. Die Genanalysen zeigen jedoch, dass er ebenfalls zur Art Fucus vesiculosus gehört.
Die Wissenschaftler erklären, dass die enorme Ausdehnung der Klone in Zukunft problematisch werden könnte, weil die Blasentangpopulationen sich eventuell nicht ausreichend an den Klimawandel anpassen können. Den Pflanzen fehlt aufgrund der ausbleibenden sexuellen Fortpflanzung die stetige Kombination von neuer DNA. Es gibt deshalb kaum Veränderungen im Erbgut und die Blasentangpopulation verliert ihre Anpassungsfähigkeit.
„Einem Klon fehlt fast völlig die genetische Variation, die sonst dafür sorgt, dass es in einer Population Individuen gibt, die mit den Veränderungen umgehen können und das Überleben der Art sichern.“
Die fehlende genetische Vielfalt des Blasentangs ist besonders problematisch, weil die Ostsee ein halb isoliertes Gewässer ist und deshalb durch den Klimawandel stark aufgeheizt wird. Laut Schätzungen könnte das Wasser bis 2100 sechs Grad Celsius wärmer sein als aktuell und noch weniger Salz beinhalten. Dadurch könnte der Blasentang verschwinden, wenn die nötige Anpassung ausbleibt.
„Die für die nächsten 70 bis 80 Jahre vorhergesagten Umweltbedingungen könnten zum Verlust von Fucus vesiculosus in der nördlichen und östlichen Ostsee führen, wenn sich die Populationen nicht an die neuen Bedingungen anpassen können.“
Molecular Ecology, doi: 10.1111/mec.17699