Robert Klatt
In einem Bernsteinklumpen aus Myanmar wurde eine neue Schneckenart mit Haaren entdeckt, die vor 99 Millionen Jahren während der Kreidezeit auf der Erde lebte.
Frankfurt am Main (Deutschland). Bernstein gilt in der Paläontologie als eine Art Zeitkapsel, weil er auch fragile Organismen über Millionen Jahre konserviert und somit einen Blick in die Vergangenheit der Erde ermöglicht. In Bernstein entdeckt wurden etwa ein ausgestorbener Verwandter der Tintenfische, eine Blume aus der Kreidezeit und die Schimmelschweinchen, ein zuvor unbekannter Tierstamm.
Wissenschaftler des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseen um Dr. Adrienne Jochum haben nun in einem Bernsteinklumpen aus Myanmar eine haarige Schnecke entdeckt, die sie auf den Namen Archaeocyclotus brevivillosus tauften. Brevivillosus bedeutet übersetzt zottelig und klein.
„Die von uns neu beschriebene Art, Archaeocyclotus brevivillosus, stammt aus einer kreidezeitlichen Bernstein-Mine aus dem Hukawng-Tal in Birma und wurde dort bereits vor 2017 gesammelt. Die fossile Schnecke ist 26,5 Millimeter lang, 21 Millimeter breit und 9 Millimeter hoch. Sie trägt kurze Haare, die den äußeren Rand der Schale säumen und sich an der Schalenöffnung bündeln. Ihr folgerichtiger Name leitet sich vom Lateinischen brevis – kurz, klein – und villōsus – haarig, zottelig – ab.“
In demselben Bernsteinkommen haben die Wissenschaftler acht Arten aus der Familie der Turmdeckelschnecken (Cyclophoridae) entdeckt, zu denen auch die haarige Schnecke gehört. Sechs der acht dort entdeckten Schnecken besitzen feine Haare auf ihrem Gehäuse.
Laut der Publikation im Fachmagazin Cretaceous Research ist es denkbar, dass die Härchen den Tieren dabei helfen, sich an Pflanzen festzuhalten. Ein ähnliches Verhalten wurde auch bei aktuell lebenden Schnecken entdeckt. Es ist aber auch möglich, dass die Borsten bei der Wärmeregulierung geholfen haben, indem an ihnen winzige Wassertropfen anhefteten. Außerdem könnten die Haare als Tarnung oder Schutz vor saurer Erde gedient haben.
Ungewöhnlich sind die feinen Borsten bei Schnecken nicht. Diese wurden bei mehreren Familien von Landschnecken, darunter Schnirkel, Laub und Polygyridaeschnecken, entdeckt. Im Laufe der Evolution der Landschnecken entstanden die Haare laut den Autoren mehrmals unabhängig voneinander. Auch bei vielen heute lebenden Schnecken bildet die proteinhaltigen Schalenschicht (Periostracum) des Gehäuses Borsten.
Cretaceous Research, doi: 10.1016/j.cretres.2022.105359