Robert Klatt
Haie erholen sich bei Verletzungen schnell. Nun wurde erstmals dokumentiert, dass eine abgeschnittene Flosse bei einem Seidenhai nahezu komplett nachgewachsen ist.
Miami (U.S.A.). Es ist seit Langem bekannt, dass Haie sich bei Verletzungen schnell erholen können und einen Schutzmechanismus gegen Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und Arsen besitzen. Chelsea Black von der University of Miami (UM) hat nun erstmals dokumentiert, dass einem Hai eine nahezu komplette Flosse nachgewachsen ist.
Laut der Publikation im Journal of Marine Sciences haben Forscher den Seidenhai 2022 mit einer Satellitenmarke gekennzeichnet, um seine Routen nachverfolgen zu können. Ein Taucher bemerkte nur wenige Wochen danach, dass der Sender von der Rückenflosse des Fisches entfernt wurde.
Die Beschaffenheit der Wunde zeigt, dass der Satellitensender nicht einfach abgefallen ist, sondern gewaltsam herausgetrennt wurde. Wer dem Hai die Verletzung zugefügt hat, konnten die Forscher nicht nachvollziehen. In Florida werden Seidenhaie häufig von Freizeitanglern gefangen. Diese dürfen die Tiere aber nicht wieder freizulassen. Es ist somit denkbar, dass ein Angler den Satellitensender entfernt hat, bevor er den Hai wieder ins Meer entlassen hat.
Black ging damals davon aus, dass der Fisch an seiner Verletzung sterben wird. Nach mehreren Monaten haben die Forscher den Hai mit einer ungewöhnlich geformten Rückenflosse aber erneut gesehen. Der Fisch konnte durch Fotos und seine Sendernummer eindeutig identifiziert werden.
Trotz einer früheren schweren Verletzung hatte der Hai einen Großteil seiner Flosse regeneriert. Sie war zwar deformiert, aber es waren keine offenen Wunden sichtbar. Der Hai schien gesund zu sein und hatte keine Anzeichen einer Krankheit oder Infektion.
„Meine erste Reaktion war Erleichterung darüber, dass der Hai noch am Leben war, da es sich um eine traumatische Wunde handelte, die seine Schwimmfähigkeit beeinträchtigen oder eine schwere Infektion verursachen könnte.“
Es handelt sich um den ersten beobachteten Fall, bei dem ein Seidenhai eine Rückenflosse nachwachsen ließ, und insgesamt um den zweiten dokumentierten Fall einer solchen Regeneration bei Haien. Der genaue Regenerationsmechanismus der Haie ist bisher nicht vollständig verstanden. Forscherin Chelsea Black vermutet, dass das nachgewachsene Flossengewebe größtenteils aus Narbengewebe besteht.
„Es gibt einen Grund dafür, dass sich Haie über Hunderte Millionen Jahre hinweg weiterentwickelt und Massensterben überlebt haben. Diese Geschichte beweist einfach, wie widerstandsfähig sie sein können.“
Journal of Marine Sciences, doi: 10.1155/2023/6639805