Robert Klatt
Bullenhaie sind extrem anpassungsfähig. In einem See eines australischen Golfplatzes konnten deshalb mehrere Haie 17 Jahre lang überleben.
Bochum (Deutschland). Der Bullenhai (Carcharhinus leucas) ist die wohl anpassungsfähigste Haiart. Veränderungen im Salzgehalt des Wassers haben so geringe Auswirkungen auf ihn, dass er sich nicht nur in Meerwasser, sondern auch in halbsalzigen Brackwasserzonen, in Lagunen und an den Mündungen von Flüssen heimisch fühlt. Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Peter Gausmann haben im Fachmagazin Marine and Fishery Sciences (MAFIS) nun eine Studie publiziert, die die enorme Anpassungsfähigkeit, der bis zu 4 Meter langen und über 300 Kilogramm schweren Bullenhaie verdeutlicht.
In einem Süßwassersee des Carbrook Golf Clubs in der Nähe der Stadt Brisbane in Australien lebten demnach sechs Bullenhaie für mehrere Jahre. Ursache für diesen ungewöhnliche Lebensraum war ein schweres Unwetter im Jahr 1996, das zu großen Überflutungen führte. Die sechs jungen Bullenhaie konnten dadurch aus einem benachbarten Fluss in den See des Golfplatzes schwimmen. Als das Hochwasser nachließ, waren die Haie im See gefangen und konnten nicht zurück in ihren ursprünglichen Lebensraum.
„Das ist die längste ununterbrochene Zeit in einer salzarmen Umgebung, die jemals für diese Art registriert wurde.“
Überraschenderweise adaptierten die Bullenhaie hervorragend an diese ungewöhnliche Umgebung. Der See bot eine ausreichende Anzahl kleinerer Fische, die als Nahrungsquelle dienten. Zudem trugen die Angestellten des Golfclubs gelegentlich zur Ernährung der Haie bei, indem sie Fleisch ins Wasser warfen.
Die Haie bewiesen ihre Fähigkeit, in Süßwasser über einen längeren Zeitraum zu überleben. Sie blieben in diesem Habitat mindestens bis zum Jahr 2013, was einer Zeitspanne von 17 Jahren entspricht. Schließlich trat eine weitere Flut auf, die potenziell die Zusammensetzung der Haie im See verändert haben könnte.
Neben den Bullenhaien im See des Carbrook Golf Clubs sind noch zwei weitere Fälle von Bullenhaien in Süßwasserseen bekannt. Diese zeigen, dass Bullenhaie über bemerkenswerte physiologische Fähigkeiten verfügen. Diese ermöglichen es ihnen, einen signifikanten Lebensabschnitt in Gewässern mit unterschiedlichem Salzgehalt, von Süß- bis zu salzhaltigerem als Meerwasser, zu verbringen.
Dieses beeindruckende Überleben ist weitgehend der adaptiven Osmoregulation der Bullenhaie zuzuschreiben. Diese biologische Anpassung ermöglicht es ihnen, ihren internen Salz- und Wasserhaushalt effizient zu steuern. Während bei den meisten anderen Haiarten ein Aufenthalt in Süßwasser zum tödlichen Verlust des inneren Salzgehalts führen würde, verfügt der Bullenhai über metabolische Anpassungsmechanismen in seinen Nieren. Diese stellen sicher, dass bei einem Wechsel vom salzigen Ozean in ein Süßwassersystem weniger Salze aus dem Blutkreislauf ausgeschieden und stattdessen im Körper wiederverwertet werden.
Marine and Fishery Sciences (MAFIS), doi: 10.47193/mafis.3712024010105