Dennis L.
Eine großangelegte genetische Studie aus den Vereinigten Staaten hat ergeben, dass die Rasse eines Hundes nur sehr wenig über dessen Temperament aussagt. Laut Forschern sind die Charakterunterschiede zwischen den einzelnen Hunden größer als zwischen einzelnen Rassen.
Massachusetts (U.S.A.). Ist ein Border Collie wirklich besonders schlau, ein Chihuahua stets ein Kläffer und ein Pitbull immer aggressiv und gefährlich? Es gibt zahlreiche Hunderassen und jeder Rasse werden charakteristische Verhaltenseigenschaften zugeschrieben. Doch stimmen diese Stereotypen und sind manche Hunderassen wirklich gehorsamer, klüger oder zutraulicher als andere? Immerhin gibt es in zahlreichen Ländern rassespezifische Rechtsvorschriften, rassenabhängige Versicherungsprämien und sogar Haltungsverbote.
Nun haben die US-Biomedizinerin und Erstautorin der Hunde-Studie Kathleen Morrill und ihre Kollegen von der University of Massachusetts herausgefunden, dass man vielen Hunden mit einer solchen Pauschalisierung unrecht tut. In ihrer Forschung fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Rasse über das Temperament eines Hundes nur sehr wenig aussagt. Sie betonen zwar, dass viele Verhaltensweisen recht ähnlich sind und einige Hunderassen verspielter, neugieriger, gehorsamer oder wachsamer als andere Hunderassen sind, die Unterschiede zwischen einzelnen Hunden sind aber meist größer als die Unterschiede zwischen den einzelnen Hunderassen.
Laut neustem wissenschaftlichen Kenntnisstand fand die Domestizierung vom Wolf zum Hund vor frühestens 19.000 Jahren statt. Selbst mit einigen Toleranzen in der Datierung macht dieser Zeitraum den Hund zum ältesten Haustier des Menschen. Der Mensch begann jedoch erst vor rund 2.000 Jahren Hunde nach speziellen Arbeitsaufgaben zu selektieren und so gab es erst im Mittelalter die ersten richtigen zwölf Hunderassen.
Vor rund 200 Jahren, genauer gesagt um das Jahr 1800, wurden Hunde erstmalig nach ihren rassentypischen ästhetischen sowie körperlichen Merkmalen ausgewählt und gezielt vermehrt. Die meisten der modernen Hunderassen sind im übrigen nicht älter als 160 Jahre - im Vergleich zum Alter des Urhundes nur ein Wimpernschlag.
chnell begann der Mensch den einzelnen Hunderassen charakteristische Eigenschaften und Temperamente zuzuschreiben, welche auf ihren ehemaligen Arbeitsbereich zurückzuführen sind. So gelten Wachhunde automatisch als besonders wachsam oder Hütehunde stets als besonders klug. Diese Pauschalrestriktion nach Rassenzugehörigkeit findet sich vor allem bei den modernen Hunderassen wieder, schreiben die Forscher im renommierten Fachmagazin Science.
Wissenschaftliche Studien sowie genetische Untersuchungen, welche den Zusammenhang zwischen einzelnen Hunderasse und einem rassentypischen Temperament belegen bzw. eindeutig widerlegen, fehlte der Wissenschaft der Biologie jedoch bis heute. Die von Morrill und ihrem Team durchgeführte Studie soll nun Licht ins Dunkle bringen und die offenen Fragen erstmalig wissenschaftlich klären.
Dazu suchten die Wissenschaftler mit Hilfe sogenannter genomweiter Assoziierungsstudien nach gemeinsamen genetischen Variationen von im Genomen von Hunden, welche spezielle Verhaltensmerkmale bei 2.155 Rassehunden, Mischlingen und Hybridhunden vorhersagen können. Diese Daten verknüpften die Wissenschaftler anschließend mit Werten von 18.385 subjektive Aussagen von Hundebesitzern zum Verhalten und Wesen ihrer Vierbeiner. Insgesamt konnten die Wissenschaftler 78 von der AKC anerkannte Hunderassen in ihrer Studie zählen.
Die Auswertung der genetischen Daten ergab, dass einzelne Hunderassen nur wenige genetische Besonderheiten aufwiesen. Wie die Wissenschaftler weiter schrieben, habe die Rasse einen untergeordneten Wert bei der Vorhersage des Verhalten eines Hundes. Zwar sind die meisten Verhaltensweisen erblich, allerdings durch zahlreiche Gene sowie der Umwelt beeinflusst. Die Rasse für sich genommen erklärt lediglich neun Prozent aller Verhaltensunterschiede einzelner Hunde. Bei einigen bestimmten Verhaltensweisen, wie beispielsweise der Lust zum Apportieren oder der Tendenz zum Heulen, zeigen sich laut Morrill und ihren Kollegen jedoch größere Unterschiede. Demnach zeigen sich Border Collies besonders fügsam und Huskys, Beagles und Bluthunde heulen überdurchschnittlich gerne.
In ihrer Studie schreiben die Wissenschaftler, dass Verhaltensunterschiede zwischen modernen Hunderassen grundsätzlich nur sehr gering ausgeprägt sind. Sie fanden keinerlei Verhaltensweisen, die ausschließlich bei nur einer Rasse zu finden waren. So gilt beispielsweise der Labrador als Rasse, die eigentlich nicht heult, einige Hundehalter berichteten den Wissenschaftlern aber, dass es ihre Hunde dennoch manchmal oder sogar häufig tun. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf Greyhounds, denen nachgesagt wird, sie würden ihr Spielzeug nicht verbuddeln. Aber auch von diesem Verhalten berichteten einige Halter. Die Wissenschaftler betonen noch, dass sich das Verhalten der Hunde mit dem Alter ändert. So sind Welpen der meisten Hunderassen sehr verspielt, verlieren aber mit zunehmenden Alter mehr und mehr das Interesse daran.
Morrill und ihre Kollegen schreiben abschließend, dass sie keine bestimmten Verhaltensweisen als Folge der Züchtung der Rassen finden konnten. Fast alle Verhaltensweisen, die heute als Eigenschaften bestimmter moderner Hunderassen gelten, sind laut der Co-Autorin Elinor Karlsson „höchstwahrscheinlich im Laufe von Tausenden von Jahren der Evolution vom Wolf über den wilden Hund zum domestizierten Hund und schließlich zu den modernen Hunderassen entstanden“.
Neben individuellen Veranlagungen einzelner Hunde, hat die Erziehung und der Lebensstil des Besitzers einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Verhalten und die Vorlieben eines Hundes.
Science; doi: 10.1126/science.abk0639