Robert Klatt
Die elektrische Ladung von Insektenschwärmen kann das Wetter und den Transport von Luftpartikeln beeinflussen. Wüstenheuschrecken, die besonders große Schwärme bilden, verändern die atmosphärische Elektrizität so stark wie Gewitterwolken.
Bristol (England). In der Atmosphäre beeinflussen unterschiedliche Quellen elektrischer Ladung die Beseitigung von Staub und Aerosolen und die Bildung von Tröpfchen. Bisher hat die Wissenschaft biologische Prozesse oder Lebewesen als mögliche Ladungsquellen kaum berücksichtigt, obwohl das elektrische Feld sehr variabel ist. Weil auch Insekten eine elektrische Ladung von Piko- bis Nanocoulomb pro Individuum besitzen, haben Forscher der University of Bristol nun untersucht, ob eine große Ansammlung der Tiere die elektrische Raumladung in der Atmosphäre verändern können.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin iScience haben die Forscher um Ellard Hunting dazu das elektrische Feld von Honigbienenschwärmen gemessen. Diese Fluginsekten können die atmosphärische Elektrizität pro Meter demnach um 100 bis 1000 Volt verändern und die üblicherweise in Bodennähe herrschende Feldstärke erhöhen.
„Wir haben immer untersucht, wie die Physik die Biologie beeinflusst, aber irgendwann haben wir erkannt, dass die Biologie auch die Physik beeinflussen könnte.“
Auf Basis der Daten der schwärmenden Honigbienen entwickelten die Forscher ein Modell, mit dem sie den Einfluss anderer schwärmender Insekten wie Heuschrecken, Mücken, Schmetterlingen und fliegenden Ameisen auf die atmosphärische Elektrizität errechnen können.
„Wie Insektenschwärme die atmosphärische Elektrizität beeinflussen, hängt von ihrer Dichte und Größe ab.“
Besonders groß ist der Einfluss bei bestimmten Heuschrecken, bei denen bis zu 80 Millionen Tiere einen Schwarm bilden, der auf unter einer Quadratmeile (2,6 Quadratkilometer) zusammenkommt. Schwärme von Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) besitzen demnach das Potenzial, die atmosphärische Elektrizität in ihrer Umgebung so stark zu verändern wie eine Gewitterwolke. Sie können dadurch das Wetter und den Transport von Luftpartikeln beeinflussen.
Die atmosphärische Raumladung wird laut den Forschern in aktuellen Klimamodellen noch nicht berücksichtigt. Weil sie durch die Aggregation und Bewegung von Luftpartikeln verstärkt wird, ist es denkbar, dass die von Insekten erzeugte elektrische Ladung tatsächlich Luftpartikeln räumlich beeinflusst. Dies könnte etwa den Ferntransport von Wüstenstaub verändern.
iScience, doi: 10.1016/j.isci.2022.105241