Robert Klatt
Wildschweine wurden durch den Menschen fast auf der gesamten Erde verbreitet. Die Wühltätigkeit der Tiere in ihren neuen Lebensräumen setzt 4,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr frei. Dies entspricht der jährlichen Treibhausgasmenge von 1,1 Millionen Pkws.
Brisbane (Australien). Wildschweine (Sus scrofa) waren ursprünglich nur in Europa und Asien beheimatet. Der Mensch verbreitete die Tierart dann aber als Jagdwild auch nach Nord- und Südamerika sowie Australien und auf viele Inseln, wo sich der anpassungsfähige Allesfresser ausbreiten konnte. Auch heute erschließen Wildschweine in vielen Regionen der Erde noch neue Lebensräume. Bei der Erforschung der Folgen konzentrierte sich die Wissenschaft bisher auf die Schäden in der Umwelt, in der Wildschweine die Tier- und Pflanzenarten bedrohen und das ökologische Gleichgewicht in ihren neuen Lebensräumen destabilisieren.
Wildschweine fördern durch ihre starke Wühltätigkeit aber auch Erosionsprozesse, die den stärkeren Abbau von Biomasse im Boden auslösen. „Wildschweine gehen bei der Nahrungssuche ähnlich vor wie Traktoren, die durch Felder pflügen und den Boden umdrehen. Wenn Böden durch Menschen oder, wie in diesem Fall, durch Wildtiere aufgewühlt werden, wird Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt. Da der Boden fast dreimal so viel Kohlenstoff enthält wie die Atmosphäre, hat selbst ein kleiner Teil des aus dem Boden freigesetzten Kohlenstoffs das Potenzial, den Klimawandel zu beschleunigen“, erklärt Christopher O’Bryan von der University of Queensland.
Die Wissenschaftler haben deshalb untersucht, wie hoch die von Wildschweinen ausgelösten Emissionen sind. Als Basis der im Fachmagazin Global Change Biology publizierten Studie nutzte das Team um O’Bryan Schätzungen dazu, wie viel CO2 die Wühltätigkeit der Wildschweine aus Böden freisetzt. Im Rahmen der Modellberechnungen verknüpften sie diese Daten mit den Verbreitungsgebieten der Wildschweine und ihrer Bestandsdichte.
Laut dem Ergebnis der Modellrechnung haben Wildschweine durch die Verbreitung durch den Menschen neue Lebensräume von bis zu 124.000 Quadratkilometern erschlossen. Sie setzen in diesen neuen Verbreitungsgebieten durch ihre Wühltätigkeit 4,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr frei. Dies entspricht der jährlichen Treibhausgasmenge von 1,1 Millionen Pkws. Es handelt sich dabei laut O’Bryan aber nur um eine grobe Einschätzung, die das problematische Potenzial invasiver Arten demonstrieren soll. Aufgrund der großen Unsicherheitsfaktorrn der Datengrundlagen wie der Beschaffenheit der Böden und der Bestandsdichten der Wildschweine ist derzeit eine exakte Bestimmung noch nicht möglich.
„Invasive Arten wie das Wildschwein sind ein vom Menschen verursachtes Problem, daher müssen wir uns ihre ökologischen Auswirkungen bewusst machen und Verantwortung dafür übernehmen. Wenn sich invasive Wildschweine in Gebiete mit reichlich Bodenkohlenstoff ausbreiten dürfen, kann das Risiko von verstärkten Treibhausgasemissionen in Zukunft immer größer werden“, konstatiert Autor Nicholas Patton von der University of Canterbury. Eine Kontrolle der Wildschweinestände und eine Eindämmung der weiteren Ausbreitung scheint laut den Forschern aufgrund des hohen Gefährdungspotenzials für das Klima und die Ökosysteme demnach als angebracht.
Global Change Biology, doi: 10.1111/gcb.15769