Conny Zschage
Viele Insekten können aufgrund ihrer kleinen Größe und Leichtigkeit auf Wasser laufen. Das bekannteste Beispiel ist wahrscheinlich der Wasserläufer. Doch auch einige Reptilien wie der Helmbasilisk oder Vögel wie der Lappentaucher beherrschen diese Fähigkeit. Forscher haben nun durch Zufall einen Käfer gefunden, der an der Unterseite einer Wasserfläche laufen kann.
Newcastle (Australia). John Gould ist Verhaltensbiologe an der University of Newcastle in Australien. Als er eines Abends in einer lokalen Gebirgsregion nach Kaulquappen sucht, entdeckt er einen kleinen Käfer, rasant über das Wasser flitzt. Doch als Gould genauer hinschaut, stellt er verwundert fest, dass der Käfer sich kopfüber unter dem Wasser fortbewegt. Beeindruckt von den Fähigkeiten des Käfers, filmt er das Phänomen.
Später berichtet Gould seinem Kollegen Jose Valdez von seinen Beobachtungen. Valdez ist Wildtierökologe am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung. Auch er ist von den Erzählungen beeindruckt, hat aber bereits von Insekten gehört, die sich so unter dem Wasser bewegen können. Doch als er auf Goulds Video sieht, wie schnell und gewieft sich der Käfer im Wasser fortbewegt, ist er begeistert.
Gemeinsam beschließen beide Forscher nach weiteren Nachweisen für die ungewöhnliche Fortbewegung des Käfers zu suchen. In älterer Lektüre finden sie zwar Nebensätze, in denen dasselbe Phänomen kurz erwähnt wird, aber keine einzige Studie untersucht das exakte Thema. Dies überrascht die Wissenschaftler. Denn Käferspezialisten wissen bereits seit einiger Zeit von den ungewöhnlichen Fähigkeiten mancher Wasserkäfer und nutzen sie sogar für ihre eigenen Zwecke. Denn wenn eine große Menge Käfer eingesammelt werden soll, wühlen Wissenschaftler den Gewässerboden auf, wodurch die Käfer an die Oberfläche schwimmen und sich an deren Unterseite fortbewegen, wo sie einfacher gefangen werden können.
Warum genau bisher noch niemand eine ausführliche Studie über die einzigartige Fähigkeit von Wasserkäfern gemacht hat, ist nicht wirklich klar. Die meisten Käferwissenschaftler sind bisher wahrscheinlich davon ausgegangen, dass es so eine Studie bereits gibt, während Wissenschaftler aus anderen Bereichen einfach nichts von dem Phänomen wussten. Doch nun soll es durch zukünftige Studien genauer untersucht werden. Denn wie genau die Käfer es schaffen, sich unter dem Wasser fortzubewegen, ist nicht wirklich klar. Vermutlich hilft ihnen eine Luftblase am Bauch und der einzigartige Aufbau ihrer Füße. Ob die Käfer in der Lage sind, auch auf der Wasseroberfläche zu laufen und sich auch an Land fortbewegen können, muss näher untersucht werden. Auch ist bisher unklar, warum genau der Käfer sich so fortbewegt. Höchstwahrscheinlich kann er einigen Fressfeinden dadurch besser ausweichen.
Durch eine genauere Analyse der Käfer erhoffen sich Gould und Valdez Fortschritte in der Robotertechnik. Denn auf Basis von Wasserläufern wurden bereits kleine Roboter entwickelt. Eventuell könnte die Technik auch benutzt werden, um in Zukunft große Roboter zu entwickeln, welche sich auf dem Wasser fortbewegen können. Am Ende der Studie, welche in der Zeitschrift Ethology: International Journal of Behavioral Biology veröffentlicht wurde, schreibt Gould zudem: „Unsere Erkenntnisse zeigen, dass die beeindruckenden Dinge, welche tagtägliche von kleinen Tieren verbracht werden, zu oft ignoriert oder übersehen werden. Doch die Geschichten von den Kleinen zu erzählen, ist genauso wichtig wie über große Säugetiere oder Vögel zu berichten.“
Ethology: International Journal of Behavioral Biology, doi: 10.1111/eth.13203