Robert Klatt
Der Klimawandel verlängert durch mehr warme Tage die Vegetationsperiode von Pflanzen. Dies führt bei Bäumen aber nicht zu mehr Wachstum.
Birmensdorf (Schweiz). Die Wissenschaft ging bisher davon aus, dass der Klimawandel durch die höhere Anzahl an warmen Tagen das Pflanzenwachstum positiv beeinflusst. Eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigt nun, dass diese Annahme bei Bäumen sehr wahrscheinlich nicht stimmt.
Laut der Publikation in den Ecology Letters wachsen Bäume in der Schweiz nur an wenigen Tagen und nicht über weite Teile des Jahres. Die sieben untersuchten Arten wachsen im Durchschnitt nur an 29 bis 77 Tagen im Jahr. Demnach würde auch eine längere Vegetationsperiode nicht zu mehr Wachstum der Bäume führen.
Die Autoren schließen daraus, dass mehr wärmere Tage im Frühling und Herbst das Holzwachstum in Mitteleuropa kaum beeinflussen. Die Kohlenstoffaufnahme der Wälder würde durch den Klimawandel also nicht wie vielfach angenommen steigen. Indizien deuten sogar auf einen gegenteiligen Effekt hin, laut dem ein früher Wachstumsstart vor April sowie ein spätes Ende nach Oktober insgesamt das Jahreswachstum verringern können.
Die Wissenschaftler um Sophia Etzold analysierten für ihre Studie die Wachstumsdaten aus acht Jahren (2012-2018) von 160 Bäumen an 47 Standorten. Dabei stellten sie fest, dass Bäume generell von April bis Mitte Juni am stärksten wachsen.
Kurz vor der Sommersonnenwende im Juni kommt es dann zu einem deutlichen Rückgang. Dieser wird wahrscheinlich durch die abnehmende Tageslänge verursacht, die die Pflanzen als Signal dafür sehen, ihr Wachstum abzuschließen. Dies ist nötig, damit andere Prozesse wie die Anlage von Früchten und Knospen stattfinden können.
Das Wachstum wird hauptsächlich durch die Temperatur, die Lichtverhältnisse und die Wasserverfügbarkeit beeinflusst. „Erstaunlich war, dass alle sieben untersuchten Baumarten durchschnittlich an nur 29 bis 77 Tagen pro Jahr wuchsen“, so Etzold. Die Tanne wächst an den meisten Tagen (77), die Waldkiefer an den wenigsten (29). Die höchste tägliche Wachstumsrate (25 Mikrometer/Tag) erreicht die Fichte, die jedoch nur an 43 Tagen im Jahr wächst.
Überdies zeigt die Studie, dass negative Faktoren wie große Hitze und Trockenheit der Wachstumsmonate April bis Juni Laubbäume nicht so stark betreffen wie Nadelbäume. Dies liegt daran, dass Nadelbäume mit der Anlage von neuem Holz später beginnen. Ihr Zeitfenster für optimales Wachstum ist demnach deutlich kürzer. „Fichten in tieferen, trockeneren Lagen dürften auch deswegen in der gegenwärtigen Klimaentwicklung kaum eine Chance haben“, so die Autoren.
Ecology Letters, doi: 10.1111/ele.13933